Vor knapp zwei Jahren habe ich sie schon beantwortet, die Frage Gibt es eine Reise, die deine Erwartungen komplett enttäuscht hat? Meine Antwort bleibt:
Nein, auch bei langem Nachdenken – komplett enttäuscht hat mich bisher keine Reise. Es gab immer Neues zu sehen, zu entdecken, überraschende Einblicke, schöne, fröhliche, beeindruckende Erlebnisse. Und auch wenn wir schlechte Erfahrungen machen mussten – zum Reisen gehört wie zum Leben eben immer Sonne und Schatten, Glück und Pech, Frohsinn und traurige Momente.
Reisen, die wir nicht wiederholen
Klar, es gab Reisen, die wir so nicht wieder machen würden:
1984 die erste gemeinsame Reise mit meinem Mann nach Italien. Wir kannten uns zwar schon länger, ein Paar waren wir aber noch kein Jahr lang. Was klappt mit Rollstuhl unterwegs, wo kann man gemeinsam hinfahren? Wir hatten noch keine Ahnung, keine Erfahrung. So folgten wir Empfehlungen aus dem Sportverein, die uns nach Italien wiesen.
Es hätte uns schon stutzig machen sollen, dass uns rechtzeitig vor der Anreise die Bitte erreichte, deutschen Kaffee und Dosenmilch mitzubringen – die Gäste des auf Behinderte spezialisierten Hotels am Meer würden lieber deutschen Filterkaffee als italienischen Kaffee trinken. Vor Ort an einem Abend großes Fest mit Buffet. Im Vorfeld tauschten wir uns mit einem Mitgast aus und kündigten an, dann aber mal pünktlich zum Essen (deutsche Abendbrotzeit: 19 Uhr – nicht italienisch, frühestens zwischen acht und neun…) kommen zu wollen. Er beruhigte uns: braucht ihr nicht. Ihr esst doch auch lieber italienisch, oder? Nur Schnitzel, Frikadellen, Kartoffelsalat und Würstchen sind schnell weg. Und in der Tat: als wir spät wie immer kamen gab es noch leckere Schalentiere, gegrilltes Gemüse, eingelegte Pilze, Tomaten und Mozzarella – nur die deutschen Partygerichte (Kartoffelsalat, Würstchen, Frikadellen…), die waren aus.
Und doch haben wir in diesem Urlaub nette Menschen kennengelernt mit denen uns noch lange Jahre ein freundlicher und beständiger Kontakt verband. Und nach Italien reisen wir immer noch, immer noch gern, die italienische Küche lieben wir (und an der Sprache lerne ich…)
Anfang der 90er mit einer Gruppe (lauter Menschen, die wir zu kennen glaubten!) durch Java und Bali im Reisebus. Es gab immer wieder Probleme, wer wann vorn sitzen darf. Die meisten aus der Gruppe wagten aus Sorge vor Durchfall oder anderen Krankheiten nicht, abends die Hotels zu verlassen und vor Ort die einheimische Küche zu probieren. Wir sind allabendlich ausgegangen, haben in kleinen Restaurants, an Warungs, kleinen Straßen-Verkaufsständen auf Rädern, vorzüglich und für kleines Geld geschlemmt. Wir reisten in der Endphase des Monsuns und so gab es immer wieder einmal auch heftige Regengüsse. Eines Abends, wir waren zu viert unterwegs, hatten lecker gegessen, war der Regen besonders heftig. Da Wirt und Kellner nett, das Bier kalt und das Dach dicht war, sind wir einfach geblieben, um das Ende des Regens abzuwarten. Und dann, dann hält doch tatsächlich der Reisebus vor der Tür: unsere Mitreisenden hatten uns Bus, Reiseleiter und Fahrer hinterhergeschickt. So fand der gemütliche Abend ein abruptes Ende.
Und doch gab es auch auf dieser Reise Erlebnisse, von denen wir heute noch oft berichten: die Besichtigung von Borobodur und Prambanan, der Sonnenaufgang auf dem Bromo, die Bootstour vor der Südküste Javas. Und auf Bali angekommen haben wir mit dem Bus die Ladung eines umgestürzten LKWs durchfahren. Es handelte sich um Trassi, indonesische Fisch-Garnelen-Würzpaste – und zu sagen, dass diese asiatische Spezialität würzig gerochen hat wäre leicht untertrieben. Noch nach mehreren Tagen, mehreren Duschen, frischer Kleidung hatten wir immer wieder den Geruch in der Nase.
Reiseerlebnisse, die kein Mensch braucht
Es gibt Erlebnisse auf Reisen, die hätten wir nicht wirklich gebraucht:
Am 27.03.2008 sind wir mitten in die völlig missglückte Inbetriebnahme des neuen Terminal 5 in London Heathrow (LHR) geraten. Schon an diesem Tag war klar, dass der Terminal nicht reibungslos dem Betrieb gewachsen sein würde. Zunächst wurden 34 Flüge gecancelt und die gesamte Gepäckbearbeitung eingestellt. An diesem und in den folgenden Tagen sind mindestens 42.000 Gepäckstücke liegen geblieben. Weitere 500 Flüge mussten gestrichen werden.
Wir wollten in LHR eigentlich nur umsteigen auf dem Weg nach Kapstadt – leider gehörten zu den verlorenen Gepäckstücken nicht nur unsere Koffer sondern auch der Rollstuhl des Gatten – und unser Urlaub war damit frühzeitig und endgültig zu Ende. Nur der Vollständigkeit halber: beide Koffer und den Rollstuhl erhielten wir nach knapp drei Wochen an die Heimatanschrift zurück – und Urlaub haben wir stattdessen mit dem Auto und einem alten Ersatz-Rollstuhl in Kroatien gemacht. Da war es auch ganz nett.
Und doch: wir fliegen inzwischen auch wieder über LHR, sogar mit British Airways (wir werden nur nicht müde, darum zu kämpfen, dass der Rollstuhl an Bord kommt und an der Tür auch wieder ausgeliefert wird, das nennt sich dann „delivery at aircraft“ und braucht einen Extra-Gepäckanhänger).
2006 waren wir in Namibia und der Kalahari unterwegs. Samstags in Windhoek bekam ich Zahnschmerzen, zunächst nur ein leichtes Ziehen, das sich aber recht schnell zu einem heftigen Schmerz steigerte. Nun ist Windhoek nicht grad klein (322.500 Einwohner) die Hauptstadt Namibias und so dachten wir, es gäbe einen zahnärztlichen Notdienst. Fehler, den gibt es nicht. So blieb uns nichts anderes, als am Sonntagmorgen nach der diensthabenden Apotheke zu suchen (es war nicht so einfach, diese zu erfahren und dann auch in der Stadt dorthin den Weg zu finden). Dort bekam ich dann Schmerztabletten, 50 Stück, sehr preiswert (umgerechnet unter 2 €), ein wilder Mix aus Paracetamol, Ibuprofen und Codein, der mich schnell glücklich, ruhig und recht schmerzfrei machte.
Am Montag früh waren wir dann in Ketmannshoop, Regionshauptstadt der Region Karas mit knapp 19.000 Einwohnern). Dort gab es zwei Zahnärzte. Praxis eins lag beim Hotel um die Ecke, dorthin konnte ich mich zu Fuß auf den Weg machen. Ich traf aber nur eine müde Schwester an. Praxis bis einschließlich Mittwoch geschlossen, der Doktor besucht Verwandte am Kap. Nun gut, suchen wir eben Praxis zwei auf. Sehr moderne Gemeinschaftspraxis, viel Glas, eine Rezeption mit zwei Damen besetzt. Termin? Aber gern. Wäre Dienstag- oder Mittwochnachmittag recht? Die Doktoren seien nach Kapstadt in die Oper geflogen und man hoffe, dass sie am Dienstag zurück kämen.
Das Ende der Geschichte? Ich habe die restliche Urlaubswoche in der Kalahari mit meinen Wundertabletten überstanden, wir sind nach Haus geflogen und ich habe noch am Ankunftstag vom Zahnarzt meines Vertrauens eine Wurzelspitzenresektion bekommen.
Und doch: wir gehen zwar inzwischen immer kurz vor der Reise noch einmal zum Zahnarzt… aber die Zeit in der Kalahari haben wir trotzdem genossen (ich vielleicht ein wenig benebelt, dank der Tabletten).
Habt Ihr auch Reiseerfahrungen, auf die Ihr gern verzichtet hättet?
Oder Reisen, bei denen Ihr denkt: einmal aber niemals wieder?
Dieser Blogbeitrag erschien zuerst unter dem Titel "Gibt es eine Reise, die deine Erwartungen komplett enttäuscht hat?" am 14.07.2013 und wurde geringfügig aktualisiert und überarbeitet. Danke an Hedi für diese Frage.
Kommentar schreiben
Ulrike (Donnerstag, 09 Juli 2015 19:33)
Gutes Thema und tolle Geschichten! Klar, wenn man schon etwas älter ist und viel gereist ist, kann man so manche Geschichte erzählen, gern als Pleiten, Pech und Pannen berichtet. Ich kann auch nicht sagen, dass irgendeine Reise, ein Land so schlimm war, dass ich nicht mehr hin will. Einige Länder muss ich nicht noch mal sehen, aber nicht weil sie schrecklich waren, sondern weil ich mich dort total langweile: Bahamas,Teneriffa,Island... Ich brauch halt Museen und Großstadt. Strände und Abhängen finde ich langweilig spätestens nach ein paar Tagen...
LG
Ulrike
Robert (Donnerstag, 09 Juli 2015 19:42)
Es gab Reisen, die sehr schön waren, es gab Reisen, bei denen nicht alles so gelaufen ist, wie gewünscht. Aber trotzdem ist keine Reise dabei, die ich bereut habe. Es gibt nur einen Tag auf einer Reise, von dem ich mir wünschte, er wäre nie passiert, der 26.12.2004......
Zypresse (Donnerstag, 09 Juli 2015 22:48)
In der Tat, Robert, das Erdbeben im Indischen Ozean 2004 wäre besser nie passiert. 1/4 Million Menscheen würden noch leben...
Und langweilig, Ulrike - nein, das war es mir noch nicht und nirgendwo. Gibt es Menschen, kann man kommunizieren; gibt es keine, gibt es Natur... ich glaube, da finde ich immer was.
Aber zum Glück sind unsere Vorlieben alle verschieden und damit verteilen wir uns gut auf alle denkbaren Reiseziele weltweit, nicht wahr?!
tho (Donnerstag, 09 Juli 2015 23:34)
Mal anders herum....
Beim großen Tsunami im Indischen Ozean und der Kenntnis in der Wissenschaft von dem, was da bevorstand, habe ich mir geschworen, einmal eine Naturgewalt real vor Ort zu begleiten.
Um das alles auch angemessen zu dokumentieren, bin ich von Filmförderanstalt zu Filmfördereinrichtung gereist und genau das hätte ich nicht gebraucht!
Mit Argumenten wie "Soetwas ist nicht realisierbar", bis hin zu "da hatten sie aber Glück", gab es keinerlei Unterstützung.
Was aber letztendlich dabei rausgekommen ist von unserer Begleitung des Ausbruches am Vulkan Merapi/Indonesien" gibt es seither für Jedermann sichtbar auf www.GunungApi.de
Beate (Sonntag, 12 Juli 2015 09:43)
"Niemals wieder" gibt es nicht. Und wenn doch, dann gilt dies bei meinem Mann und mir für das ehemalige Jugoslawien, das schon lange am untersten Ende unserer "places to visit"-Liste steht. Hatte ich bei meiner Reise 1977 nur die allerbesten Eindrücke von Land und Leuten, so wurden diese genau 10 Jahre später total auf den Kopf gestellt:
Wir waren per Suzuki-Jeep auf großer Rundreise durch sämtliche Teilrepubliken des Landes, von Slowenien im Norden bis Mazedonien im Süden und wurden von Anfang an nur ausgetrickst und übers Ohr gehauen. OK, 1988 befand sich das Land in einer wirtschaftlichen Krise, aber das ist noch immer kein Freibrief, beispielsweise die Preise auf den Speisekarten beim Anblick von Touristen spontan nach oben anzuheben oder Zapfsäulen so zu manipulieren, dass in den Tank plötzlich 20 Liter mehr passen.
Der Lack unseres neuen Jeeps, den wir in Prizren (Kosovo) auf dem bewachtem Parkplatz unseres Hotels abgestellt hatten, war am nächsten Morgen arg verkratzt. Was aber nur ein Achselzucken beim Personal hervorrief.
Und während wir uns in Mostar nur kurz die berühmte Brücke ansahen, wurde in unserem zum Cabrio umgebauten und in der Nähe geparkten Auto das Handschuhfach aufgebrochen und die darin befindlichen Gegenstände wie Sonnenbrille und Erfrischungstücher geklaut.
Hinzu kamen Dreck und Umweltverschmutzung. Noch heute sehe ich einige landschaftlich wunderschön gelegene Picknickplätze vor mir, die vor Müll (von Essensresten bis zu benutzten Tampons) überquollen. Und den kaputten Kühlschrank am Wegrand. Mitten im Durmitor-Nationalpark.
Nie vorher oder nachher haben wir einen Urlaub vorzeitig abgebrochen, aber dieses Land zwang uns leider dazu.