Wenn man im Kruger National Park das Camp verlässt, dann hofft man natürlich immer auf „das“ besondere Erlebnis mit Tieren. Schließlich ist die Beobachtung von wilden Tieren in freier Natur, in ihrer ganz natürlichen Umgebung der Grund, eine solche Pirschfahrt anzutreten. Manchmal hat man dabei Glück, ein anderes Mal sieht man nichts oder „nur“ einige Impala Antilopen.
Und manches Mal braucht es neben der nötigen Portion Glück einfach auch noch das richtige Timing: zum passenden Moment genau da zu sein, wo etwas passiert kann ebenso entscheidend sein. Dafür, wie richtig dies ist, bekamen wir bei unserem Aufenthalt dieses Mal ein beeindruckendes Beispiel geboten.
Wir hatten am Vormittag das Camp Skukuza verlassen und waren aufgebrochen in Richtung Satara, wo wir die nächsten Nächte verbringen wollten. Rechts von uns, nah an der Hauptstraße sahen wir ihn dann, den ersten Geier, der auf einem offenbar in der letzten Nacht frisch gerissenen Tierkadaver hockte. Die verantwortlichen Raubkatzen, wohl Löwen, waren nicht mehr zu sehen. Sie hatten ihr Mahl beendet und lagen jetzt wahrscheinlich irgendwo faul und vollgefressen im Busch.
Neugierig stellten wir das Auto so ab, dass wir gut sehen konnten und schon ging es los: ein Geier nach dem anderen flog an, landete und begann mit dem Säubern des Kadavers. Es herrschte ein reger Flugbetrieb - wie zur Hauptverkehrszeit am Frankfurter Flughafen landeten die im Flug enorm elegant wirkenden Vögel. Am Boden herrschte zunehmender Tumult, auf und um den Kadaver wurde es eng und enger, erste Streitigkeiten zwischen den großen Vögeln setzen ein. Ein besonders cleverer Vogel schaffte es, ein größeres Teil beiseite zu schleppen und fraß - allerdings nicht lange ungestört - in etwa 8 Metern Entfernung weiter.
Immer weitere Geier trafen ein, andere flogen au und landeten kurz darauf erneut - vielleicht um eine andere, bessere Ausgangsposition für ihren Anteil am Mahl zu haben? Das Gewimmel war eindrucksvoll, man erkannte teilweise kaum noch, wo der eine Vogel anfing und der nächste endete - eine braune, unruhige Masse war da an der Arbeit.
Und dann, fast genauso schnell, wie alles begonnen hatte, war auf einmal alles wieder vorbei. Gerade noch großes Gedränge, flogen immer mehr Geier auf, einige standen wachsam und blickten sich um und dann lag das sauber abgenagte Skelett allein im Busch.
Der Oberbegriff „Geier“ ist eigentlich nicht richtig, genauer handelt es sich um sehr große Greifvögel aus der Familie der Habichtartigen. Sie können eine Körpergröße von über einem Meter und eine Spannweite von bis zu 2,90 Metern erreichen. Typisches Merkmal ist der kahle Hals (oft aus einer Halskrause herausragend) und der Kopf mit dem markanten Schnabel. Die Vögel zu entdecken ist grundsätzlich nicht schwer, denn sie sind überall dort zu finden, wo ein Kadaver in der Savanne liegt. Die Stelle ist durch die am Himmel kreisenden Vögel dann leicht auszumachen. Leider sehen das auch Hyänen oder interessierte andere Raubkatzen. Für sie sind die Geier ein eindeutiges Zeichen, dass es dort etwas zu holen gibt. Mit einer einzelnen Hyäne arrangieren sich die Geier, bei Rudeln treten sie den Rückzug an und warten in nahegelegenen Bäumen darauf, dass das Wild wieder freigegeben wird. Umgekehrt folgen manche Geierarten auch den Raubtieren und sichern sich so ein Stück frischer Beute. Eine Antilope kann ein Geierschwarm innerhalb von rund zehn Minuten bis auf die Knochen vertilgen.
Alles in allem dauerte unser Erlebnis mal gerade gute 20 Minuten, vom ersten Eintreffen eines Geiers bis zu dem Moment, an dem die Ranger kamen und den Rest untersuchten und klar wurde, was denn da fein säuberlich abgefressen wurde: ein Wasserbock - und sicher kein kleines Tier, sondern schon ein recht kapitaler Bursche.
Ich weiß, Geier haben einen schlechten Ruf. Viele finden sie hässlich, unappetitlich, sogar ekelhaft. Sie sind Aasfresser, daran wird es wohl liegen. Aber: Geier sind die Gesundheitspolizei der Savanne und spielen eine außerordentlich wichtige Rolle im Ökosystem. Ohne die Aasfresser würden sich Krankheiten wie Tollwut z. B. deutlich schneller und weiter verbreiten.
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Tina (Freitag, 02 Oktober 2015 16:47)
Na, das war ja mal eine echt interessante Sichtung! Den kill zwar verpasst, aber das "Danach" hat halt auch seinen Reiz. Haben wir auch schon erlebt.
Beate (Montag, 05 Oktober 2015 08:12)
Am Rio Negro zeigten uns die Rabengeier immer, wo sich eine menschliche Ansiedlung befindet. Hier machen sie sich als Müllabfuhr verdient; gibt es doch bedeutend weniger Großwild in Amazonien als in Afrika.
LG Beate
Heidi (Montag, 05 Oktober 2015 21:05)
Liebe Ulli, Du hast das mal wieder total spannend beschrieben. Die Fotos dazu, super. Ich gratuliere.
Viele Grüsse aus Südafrika,und alle guten Wünsche,
Heidi
Zypresse (Montag, 05 Oktober 2015 22:28)
Liebe Tina, Beate, Heidi - Danke für Eure Kommentare. Ich freue mich immer riesig über die Reaktionen meiner LeserInnen, Ergänzungen, Nachfragen oder auch einfach ein Lob!