Bei unserem Aufenthalt in der italienischen Hauptstadt Rom haben wir an einem schönen und sonnigen Tag einen Rundgang durch ein - zu Unrecht - weniger bekanntes Stadtviertel gemacht, durch Testaccio. Der Stadtteil bekam seinen Namen vom Monte Testaccio, einem künstlichen Hügel, der in der Antike als Scherbenhalde für die im nahegelegenen Tiberhafen entladenen und nicht wiederverwendbaren Ölamphoren aus den römischen Provinzen entstand.
Irgendwo habe ich gelesen, das man Testaccio auch als den alten „Bauch von Rom“ bezeichnet. Und ein wenig stimmt dies sicher auch. Wir fanden hier ein ganz anderes Rom, unverblümt und authentisch. Es gibt in dem Viertel nur eine antike Ruine und die wird kaum beachtet. Die Restaurants sind nicht unbedingt trendy, eher bodenständig. Und die hier ansässigen Römer schätzen das gute Essen und die Unterhaltung mehr als sehen und gesehen werden. Ein gewisser Kleinstadtcharme und seine Freundlichkeit machen Testaccio zu einem ganz besonderen Stadtteil.
Auch wenn der Stadtteil in den letzten Jahren zunehmend "hip" geworden ist, es bleibt immer noch ein spürbarer Arbeiterstadtteil, in dem der ur-römische Fußballverein AS Rom, auch i Giallorossi = „Die Gelb-Roten“, i Lupi = „Die Wölfe“ oder La Maggica = „Die Magische“ genannt, gegründet wurde. Nicht zuletzt deshalb wacht die "Lupa", die Wölfin und Symbolfigur des Vereins, riesengroß von einer Hauswand über Markt und Viertel.
Der Rundgang durch Testaccio ist eben, es gibt keine Steigungen und die Straßen sind (zumindest für römische Verhältnisse) gut mit einem Rollstuhl zu befahren. Unser Spaziergang, den Ihr unten auf der Google Map nachvollziehen könnt, hat knapp 2 1/2 km. Weil man aber immer wieder stehen bleibt, etwas anschaut, vielleicht etwas probiert oder einen Kaffee trinkt, solltet Ihr sicher 2 - 3 Stunden Zeit einplanen. Wir sind am späteren Vormittag gestartet, einige Geschäfte und viele Restaurants waren noch geschlossen, aber auf dem Markt war schon viel los.
Spaziergang durch Testaccio (rollstuhlgeeignet)
Giolitti und Trapizzino
Gestartet sind wir an der Bushaltestelle Emporio, dort wo die Via Marmorata auf das Tiberufer trifft. Den Tiber im Rücken ging es gleich hinein in die erste Straße rechts. Hier findet man Giolitti, eine der besten Eisdielen Roms, so sagt man. Als wir vorbei spazierten war leider noch geschlossen, so dass ich Euch nichts zur Qualität berichten kann.
Auf dem weiteren Weg konnten wir die Stimmung des Viertels aufnehmen: Frauen mit Kinderwagen, altere Damen beim Schwätzchen, Senioren mit Einkaufstüten, Läden, in denen die alltäglichen Einkäufe erledigt wurden, schick gekleidete Menschen und Handwerker auf dem Weg zum nächsten Auftrag. Man redet hier miteinander, das fiel auf; man hilft einander, das konnten wir merken, wann immer eine Bordsteinabsenkung zugeparkt war oder wir uns suchend umblickten.
Wir kamen auch bei Trapizzino vorbei, auch hier noch geschlossen aber durchs Fenster zu sehen: in der Küche wurden schon die ersten Arbeiten zur Vorbereitung des kulinarischen Tages gemacht. Trapizzino wurde in Rom erfunden, aktuell angesagtes Street Food in der Ewigen Stadt. Was das ist? Ganz einfach, eine Kombination aus „Pizza“ und „Tramezzino“ (dem italienischen Sandwich). Ein Stück Pizza Bianca wird halbiert und mit römischen Zutaten gefüllt, zum Beispiel Mozzarella, Aubergine und Tomaten oder würziges Huhn "alle erbe" oder Fisch und...
Mercato del Testaccio
Wie in jeder italienischen Stadt sind die Märkte auch in Rom ein Erlebnis. Fast jedes Viertel hat seinen eigenen Markt, und nicht selten kaufen die Wirte hier vormittags das, was abends im Restaurant serviert wird. Und jeder Tourist schlendert über den berühmten Markt auf dem Campo de'Fiori, unter den Augen des als Ketzer verbrannten Mönches Giordano Bruno. Ebenfalls erlebenswert ist der Flohmarkt am Wochenende an der Porta Portese - es heißt, man könne dort oft in der Woche zuvor Gestohlenes preiswert zurückkaufen.
In Testaccio ist es "normaler", der alte Mercato del Testaccio wurde um- und neugebaut. Entstanden ist ein moderner Komplex. Beinahe klinisch sauber wirkt er. Die Bürger im Viertel waren zunächst skeptisch. Aber der Markt verfügt über das klassische Sortiment, Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch, frische Pasta, Wurst und Käse. Außerdem werden noch Comics, Bücher und allerlei Kunsthandwerk angeboten. Alle alten Händler sind noch da, und dasselbe gilt auch für ihre Auswahl. Außerdem findet sich hier Schuhmode der letzten Saison zu Schnäppchenpreisen. Zudem bietet der Markt Streetfood, frisch gepresste Säfte und Smoothies, sowie Kleidung, Haushaltswaren, Brot, Kuchen, Wein und anderes.
Er ist hell, luftig, die Händler sind freundlich und immer zu einem Schwatz aufgelegt - und die Menschen aus dem Viertel kaufen ein, prüfen die Qualität des Gemüses, fachsimpeln über die beste Zubereitung. Ein wirklich schönes und vor allem: ganz und gar typisch italienisches Vergnügen, hier durch die Gänge zu schlendern.
Wer nach dem Einkaufen eine Pause braucht, setzt sich in eines der Marktcafés und beobachtet das Treiben im römischsten aller römischen Viertel.
Gegenüber den Markthallen liegt der Mattatoio, der frühere Schlachthof Roms. Er wurde 1975 geschlossen. Seither entstanden auf dem Gelände zahlreiche Kultureinrichtungen, so hat etwa das Museo d’Arte Contemporanea di Roma (MACRO) hier eine Außenstelle, das MACRO Testaccio ist in zwei riesigen Hallen mit industriellem Charakter angesiedelt.
Auf dem Gelände sind außerdem die Università Roma TRE – Architettura und die Scuola Populare di Musica di Testaccio untergebracht. In der Umgebung finden regelmäßig Veranstaltungen und Ausstellungen statt und das Gelände ist ein lebendiger Treffpunkt geworden.
Flavio al Velavevodetto
Beim Weitergehen umrunden wir einen Teil des Monte Testaccio. Er ist ja keiner der sieben Hügel Roms sondern entstand durch systematische Anhäufung von zerbrochenen antiken Amphoren, die aus Tributzahlungen der Provinzen stammten. Der Hügel ist knapp 35 Meter hoch und hat einen Umfang von 1,5 km.
Am Fuß des Hügels gibt es zahlreiche Lokale und Bars. Viele sind in den Monte Testaccio gebaut und in manchen – wie auch dem Flavio al Velavevodetto kann man die Reste des antiken Scherbenhügels betrachten. Das Flavio al Velavevodetto ist unter anderem eine Empfehlung von Ariane und noch recht untouristisch. Hier wird Cucina Romana gekocht: Kutteln und Innereien, Pasta Carbonara, Amatriciana oder Cacio e pepe (Peccorino-Käse mit Pfeffer).
Keats Grab auf dem protestantischen Friedhof
Unser Weg führt uns am protestantische Friedhof (Cimitero acattolico) in der Via Caio Cestio 6, in der Nähe der Cestius-Pyramide, vorbei. Er war, als wir vorbei kamen, leider geschlossen. Seine Kieswege sind aber wohl auch nicht wirklich rollstuhlgeeignet. Jedenfalls ist er einer der berühmten Friedhöfe in Rom. John Keats, im Jahr 1821 verstorben, und Percy Bysshe Shelley, ertrunken im Jahr 1822, gehören zu den ersten prominenten Personen, die hier beerdigt wurden. Auf Keats Grabstein stehen die Worte: “Here lies One Whose Name was writ in Water.”
Eine Pyramide in Rom
Und dann können wir sie schon von Ferne sehen und nein, wir sind nicht in Ägypten:
Die Cestius-Pyramide (Piramide Cestia) ist das pyramidenförmige Grabmal des römischen Prätors und Volkstribuns Gaius Cestius Epulo. Weil Bestattungen innerhalb der Stadt bis ins 5. Jahrhundert verboten waren, wurden Grabmäler üblicherweise an den Ausfallstraßen errichtet. Die Cestius-Pyramide steht in exponierter Lage an der Via Ostiensis, einer der belebtesten Straßen Roms, die zum Hafen in Ostia führte.
Nach der Eroberung Ägyptens durch Kaiser Augustus wurde die ägyptische Kultur in Rom Mode und mehrere Römer ließen sich kleine Pyramiden als Grabstätten bauen. Heute ist von dieser kurzen Episode der römischen Kultur nur noch die Cestius-Pyramide übrig. Der Bau entstand zwischen 18 und 12 v. Chr. Das Ziegelbauwerk ist mit Travertin- und Marmorplatten verkleidet, 36,4 m hoch und hat eine Seitenlänge von 29,5 m.
Volpetti
Unsere Runde durch Testaccio beschließen wir bei Volpetti, angeblich seit über 40 Jahren das Top-Feinkostgeschäft in Rom. Ich gehe kurz in den winzigen und vollgestopften Laden. Himmlische Düfte empfangen mich: frisch Gebackenes, würzige Käse, luftgetrockneter Schinken und Salami, Trüffel - es ist einfach himmlisch hier für jemanden, der gern isst und kocht. Das Feinkostgeschäft der Brüder Emilio und Claudio Volpetti hat mit über 150 Sorten Käse, einer beeindruckende Auswahl an Wurstwaren, hochwertigen Olivenölen, Balsamico-Essig, Weine, Gewürze und vielem mehr wirklich etwas zu bieten.
Kleine Kuchen, Pizzen und andere Häppchen fürs Mittagessen kann man an der Theke ebenso erwerben.
Für uns endet hier die Runde durch den Stadtteil Testaccio. Es waren interessante und man kann sagen leckere Stunden, die wir bei strahlendem Sonnenschein in einem Teil von Rom verbracht haben, der nun gar nicht von internationalen Touristenströmen geprägt war und uns hat es gut gefallen.
Wenn man möchte, könnte man von hier noch weiter zu anderen Besichtigungen aufbrechen:
- alle 15 Minute geht es mit dem Zug in einer halben Stunde zum antiken Ostia oder auch weiter an den Lido di Ostia.
- Alternativ wäre es auch nicht weit zu laufen, am Tiberufer entlang, zur Bocca della Verita und zur Tiberinsel.
Geführte Food-Tour in Rom*
Weitere Informationen
Unser Rundgang wurde unter anderem inspiriert durch
Solche Rundgänge werden auch in englischer Sprache von EatingItaly angeboten und kosten dann inklusive Speisen und Getränken unterwegs 75,00 € p.P.
Und mehr von mir aus Rom findet Ihr hier
Uschi aus Aachen (Sonntag, 10 April 2016 10:01)
Ein schöner Weg! Schade, daß Ihr Giolitti nicht "angetroffen" habt, das ist ein unbedingtes Muß für jeden Eisliebhaber...
Beate (Dienstag, 29 März 2016 05:38)
ein Spaziergang ganz nach meinem Geschmack!
Jörg (Montag, 21 März 2016 13:25)
wow, tolle Tipps und schöne, passende Bilder. Ich hätte auch noch ein paar Ergänzungen zum Thema Rom auf SNAPFLY.EU http://bit.ly/22IDps1
werde die nächsten Artikel verfolgen und weiter beobachten :-)