Die Amischen im Lancaster County, PA

Junge amische Frauen in Lancaster County
Junge amische Frauen in Lancaster County

Aus der Philly Region ging es auf unserer Tour durch den Osten der USA 2014 den recht kurzen Weg weiter ins Lancaster County. Bekannt ist dies, weil hier ein Siedlungsschwerpunkt der Amischen ist (und große Teile des Films „Der einzige Zeuge“ gedreht wurden).

 

Man hatte uns gewarnt: ein Besuch lohnt sich nicht, alles nur Touristennepp, am besten sind in Lancaster die großen Outlets und ähnliches. Na ja - ganz falsch waren diese Warnungen sicher nicht. Ein Besuch bei den Amisch, ein Blick in ihre Kultur und Traditionen ist ein Anziehungsziel für Touristen. Klar doch auch, wenn man bedenkt, dass sie in vielem noch so leben wie vor Jahr(hundert)en, so eine Art lebendiges Freiluftmuseum „in echt“. Und tatsächlich, kaum näherten wir uns Lancaster sahen wir schon die ersten großen Farmen, ohne Stromleitung, aber mit riesigen Silos, sahen pferdegezogene Wagen auf den Feldern - und dann auch auf dem Highway 30. Die Frauen trugen dunkle Kleider mit Schürze, ein Häubchen und die Männer Bart, dunkle Hosen und Strohhüte.

 

Die Amischen sind eine täuferisch-protestantische Glaubensgemeinschaft, abgespalten von den Mennoniten. Sie führen traditionell ein stark in der Landwirtschaft verwurzeltes Leben und sind bekannt dafür, dass sie viele Seiten des technischen Fortschritts ablehnen und Neuerungen nur nach sorgfältiger Überlegung akzeptieren. Die Amischen legen großen Wert auf eine heterosexuelle Familie mit klar vorgegebenen Geschlechtsrollen, Gemeinschaft und Abgeschiedenheit von der Außenwelt. Sie lehnen das staatliche Schulsystem ab und unterrichten ihre Kinder in sogenannten One-Room-Schools, einklassigen Schulhäusern. Sie stammen überwiegend von Südwestdeutschen oder Deutschschweizern ab und sprechen untereinander meist Pennsylvaniadeutsch - was wir aber nicht gehört haben.

Amischer Waschtag
Amischer Waschtag

Ins Land gekommen sind sie im 18. Jahrhundert, gelockt von der in Pennsylvania garantierten Glaubensfreiheit. Und heute noch leben sie im wesentliche so wie damals. Einige Neuerungen gibt es: Sie nutzen Roller (aber keine Fahrräder), der Gebrauch von gasbetriebenen Kühlschränken geht in Ordnung, Strom allerdings weiterhin nicht, zum Teil nutzen sie Trecker und andere landwirtschaftliche Maschinen, manche im vollen Umfang, andere nur stationär, also als Antriebsmaschinen. Was jeweils erlaubt ist, wird nach Glaubensgrundsätzen entschieden und unterscheidet sich wohl auch je nach Gemeinde. Für uns als Außenstehende ist all das kaum zu verstehen.

 

Landschaftlich ist die Umgebung schön, stark von der Landwirtschaft geprägt - und wie uns auffiel: die einzelnen Felder sind kleiner, möglicherweise, weil die von den Amischen bewirtschafteten Bauernhöfe einfach nicht so groß sein dürfen, um ohne Maschinen bearbeitet zu werden. Das verändert dann schon das Aussehen der Landschaft, sie wird gleich viel  bunter und abwechslungsreicher.

 

Unsere Mittagrast am ersten Tag haben wir in einer „englischen“, d. h. „normalen“ Dairy verbracht: es gab frisches Sandwich, hausgemachte Suppe und wir konnten beim Melken der Kühe zusehen. Dabei saßen wir gemütlich unter einer schattenspendenden Eiche und schauten über Land: das war schön!

Und am Abend? Da haben wir in der Historic Revere Tavern, Paradise PA, gegessen. Sehr lecker, netter und freundlicher Service und anschließend konnten wir uns nur noch in Bett kugeln, so satt waren wir.

Mein Amish Buggy Ride und der Farmers Market

Amischer Buggy
Amischer Buggy

Am nächsten Tag habe ich eine Fahrt mit einem der typischen Amischen „Buggys“ (das sind die geschlossenen Kutschen) oder besser mit einem Wagon (eine Art Kleinbus von zwei Pferden gezogen) gemacht. Natürlich ein Touristengeschäft – aber der Kutscher war Amisch und ein wenig hat er erzählt, Fragen beantwortet. Die Rundfahrt dauerte eine gute Stunde, zeigte noch einmal vieles von der wirklich sehenswerten Landschaft und wurde von einer ausführlichen Besichtigung eines Bauernhofes unterbrochen: Felder und was wird darauf angebaut (gerade waren es vor allen Mais und Alfalfa), den Stall mit etlichen schwarzbunten Holsteiner Kühen für die Milchwirtschaft, frischgeborene Kälbchen, die Stallkatze, junge Welpen, die Scheune, in der vor allem Heu und Stroh gelagert wird.

 

Aber auch: ein Teil der Scheune ist zur Nutzung an den Nachbarn ausgeliehen. Dieser trocknet darin virginischen Burley Tabak. Interessant. Die Amischen dürfen doch nicht rauchen, dürfen sie dann Tabak anbauen? Nein eigentlich nicht, aber dieser Nachbar schon. Aha. Und der Besitzer der Scheune kann diese dann auch einfach zum Tabak trocknen verleihen? Ja, das ist kein Problem, nur selbst anbauen oder gar Rauchen - das ist verboten.

 

Im Ort mit dem schönen Namen Bird-in-Hand gibt es einen Farmers Market, der war dann unser nächstes Ziel. Farmerzeugnisse gab es, Obst, Gemüse, hausgemachte Limonade, es gab Käse, Fleisch- und Wurstwaren. Handgemachte Marmeladen und Chutneys, Honig, Karamell, Toffees und Schokolade konnten wir finden. Dann auch noch viel speziell für Touristen hergestellte Erzeugnisse und Souvenirs. Und es gab einen Imbissstand, drei junge amische Frauen hinter der Theke, sehr freundlich, sehr ruhig und gelassen bedienten sie die Kunden, stellten die Mahlzeiten her. Und was gab es? Hot Dogs, Cheese Sandwich mit Hühnersuppe … es hat gut geschmeckt, es war nicht teuer und wir waren dieses Mal so rundum satt dass am Donnerstag das Abendessen ausfallen konnte.

 

Wir haben unseren Besuch hier genossen, es war spannend und interessant – aber verstehen, nein, das werde ich den Glauben und die Grundsätze der Amischen wohl nicht. Dennoch, es ist eine anregende Erfahrung  den Kontrast zu sehen: auf der einen Seite das schnelle, hektische, konsumorientierte Leb –  das wir wohl alle gewöhnt sind, das uns stresst, anstrengt, so manches Mal nervt. Und im Unterschied: eine Gruppe von Menschen, die sich entscheiden für ein einfaches Leben, mit wenig Konsum, ohne die maschinellen Erleichterungen schwerer Arbeit, die zu dritt mit einem Pferdewagen ein großes Maisfeld abernten, die ungerührt mit dem Pferdewagen oder dem Tretroller neben dem Autoverkehr die Landstraße entlang fahren. So unterschiedlich kann Leben sein.

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