Wie schon 2012 wollten wir auch 2014 mit einem Hausboot über die Havel schippern. Wir hofften auf einigermaßen stabiles Frühlingswetter, darauf, dass wir nicht frieren und auf immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel. Verbunden haben wir diese Tour damit, den Sportbootführerschein Binnen zu machen. Hierzu gab es ein besonderes Angebot unseres Boot-Charterers.
Für uns war die besondere Frage: geht das auch mit Rollstuhl? Sicher waren wir nicht, und auch Charterer und Prüfer hatten damit bislang keine Erfahrungen gesammelt. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: das geht, das geht sogar gut! Aber lest selbst.
Wir sind also mit einem gecharterten Hausboot unterwegs gewesen. Das Bunbo Hausboot ist ein schwimmendes Ferienhaus und kann nach einer Einweisung vor Ort auch ohne Führerschein auf den Gewässern Brandenburgs gefahren werden. Das Bunbo Modell 1160 L ist barrierefrei, hat mehr Innenraum, ein größeres Bad und ist für Rollstuhlfahrer geeignet. Zum Glück bei dem etwas unbeständigen Aprilwetter hatten wir eine kuschlig-warme Heizung und einen Wintergarten um die Terrasse.
*Diesen Blogbeitrag habe ich editiert und aktualisiert am 21.09.2020.
Brandenburg an (oder besser: in) der Havel
Am Sonntag vor unserem Hausboot-Törn haben wir die Stadt Brandenburg an der Havel angesehen. Anfangs war es noch recht diesig, aber gegen Mittag löste sich das auf, der Himmel wurde blau und die Sonne strahlte. Es wurde heiter frühlingshaft. Unser Hotel, das Sorat Hotel Brandenburg, liegt direkt am Altstädtischen Markt und das Rathaus und den Roland haben wir bei jedem Blick auf den Platz bewundern dürfen.
Es gibt dort ein barrierefreies Zimmer, welches problemlos mit dem Rollstuhl zu nutzen war.
Das Altstädtische Rathaus in Brandenburg gilt als herausragendes Beispiel der Backsteingotik des 15. Jahrhunderts. In der Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden zuerst die Rats- und Schreibstuben. In den Jahren 1470 bis 1480 wurde das Hauptgebäude mit dem Turm errichtet. Besonders sehenswert ist der Staffelgiebel mit den Wappen, das Hauptportal mit Kopfbildern von vier Stadtpersönlichkeiten des 15. und 16. Jahrhunderts sowie der rechts neben dem Hauptportal stehende 5,35 Meter große Roland. Er wurde 1474 auf dem Marktplatz der Neustadt aufgestellt. 1716 wurde die Sandsteinfigur zum Rathaus umgesetzt, da sie die preußischen Garnisonstruppen beim Exerzieren störte. 1946 fand er seinen jetzigen Platz neben dem Portal des Altstädtischen Rathauses.
Dom Sankt Peter und Paul zu Brandenburg an der Havel
Der Dom Sankt Peter und Paul zu Brandenburg an der Havel wird auch als die „Wiege der Mark“ bezeichnet und hat als „Mutter aller märkischen Kirchen“ überregionale kulturhistorische Bedeutung. Er hat 2015 Jubiläum: man feiert 850 Jahre Dom zu Brandenburg. Und das wirft schon seine Schatten voraus, denn der Dom wird saniert. So war das nichts mit einer umfassenden Besichtigung. Nur Krypta und hoher Chor waren zugänglich (natürlich nicht rollstuhlgeeignet, da Treppen runter bzw. Treppen 'rauf). Und auch im Außenbereich war das Pflaster aufgerissen, große Bereiche weiträumig abgesperrt.
Das alles steht im Zusammenhang damit, dass die Stadt Brandenburg gemeinsam mit Premnitz, Rathenow und Havelberg sowie dem Dorf Stölln eine der Ausrichtungsstätten der Bundesgartenschau 2015 Havelregion werden sollte. Ungefähr 40 Millionen Euro wurden für nachhaltige gärtnerische Investitionen ausgegeben. Mit der Renaturierung der Unteren Havel als derzeit größtem Flussrenaturierungsprojekt in Europa war zum ersten Mal ein Fluss Teil einer Bundesgartenschau.
Wir haben stattdessen eine Stadtrundfahrt mit dem Boot unternommen. Man kann viel sehen, man sah viele der Arbeiten für die Bundesgartenschau 2015 Havelregion, die sich quer durch die Stadt zogen und es war angesichts des guten Wetters einfach bezaubernd. Im Anschluss gab es eine Pause im Club Fonte am Ufer - wir haben es uns also gut gehen lassen.
Und beschlossen haben wir den Tag bei einer Fischplatte von Havelfischen, frisch und lecker im Vorort Kirchmösern, mit einem blauen Blick wieder aufs Wasser.
auf dem Wasser der Havel
Wir haben unser Hausboot am Montagvormittag übernehmen können. Unsere Einkäufe haben wir rasch verstaut, schließlich sind wir ja bis Freitag Selbstversorger. Nicht nur Essen, auch Wasser und Getränke haben wir „gebunkert“.
Und der Start war gleich mit vollem Tempo: gleich am Mittag ging es mit Anleitung raus aufs Wasser und erste Manöver üben. Wir zwei sind nicht allein an Bord: neben Gordon, der uns den Unterricht erteilt, haben wir zwei weitere Mannschaftskameraden hinzugewonnen – da macht das Trainieren für die am Donnerstag anstehende Prüfung gleich mehr Spaß. Auf allen Positionen, Ruder, Achtern, Back- und Steuerbord wechseln wir uns ab und nicht nur von unserem Boot schallen deutlich die Manöverbefehle über die eigentlich so stille und verträumte Havel. Wir üben das An- und Ablegen, das Ein- und Ausdampfen, Mensch-über-Bord-Manöver, Aufstoppen an der Boje, Wenden auf engem Raum – und haben ganz allmählich das Gefühl, vielleicht doch rechtzeitig zur praktischen Prüfung das Hausboot beherrschen zu können.
Unsere erste Nacht haben wir an einem sehr idyllischen Ankerplatz auf dem Hausboot einige Kilometer stromab bei Briest verbracht. Sanft haben uns die Wellen geschaukelt, die Enten in den Schlaf gequakt und die Gänse, die am Himmel zogen, morgens wach gerufen. Diese unmittelbare Nähe zur Natur – das ist das schönste, finde ich, an einer Tour mit dem Hausboot auf der Havel. Und hinzu kommt die unglaubliche Ruhe, Friedlichkeit, die die Brandenburgische Havellandschaft, die 2004 Flusslandschaft des Jahres war, gerade in den Abendstunden ausstrahlt. Träge fließt der Fluss, still und spiegelnd liegt das Wasser, Vögel zwitschern, Gänse ziehen rufend über den Himmel.
Es war „Enten-Hochsaison“ und die Havel voller Enten: Pfeifenten, Löffelenten, Krick- und Spießenten. Und das warme Wetter der letzten Tage hatte wohl auch schon die ersten Fischadler, und auch Weißstörche mitgebracht; die meisten Horste sollten schon besetzt sein.
Am Dienstag war es zunächst noch sehr schön, aber am frühen Nachmittag gab es dann eine der gefürchteten Wetterwarnungen, ausgegeben vom Deutschen Wetterdienst:
„Heute bis zum Abend Windböen, teilweise stürmische Böen, auch örtlich Gewitter, in der Nacht und am Mittwoch weiter Windböen. Entwicklung der WETTER- und WARNLAGE für die nächsten 24 Stunden bis Mittwoch, 09.04.14, 15:30 Uhr:
Die Ausläufer eines Tiefdruckgebietes über Südnorwegen lenken kühlere Luft in den Nordosten Deutschlands. Heute und Morgen gibt es WINDBÖEN, in Schauernähe auch STÜRMISCHE Böen bis 70 km/h. Vereinzelt sind heute Nachmittag auch GEWITTER möglich.“
Und diese Wetterlage hat sich bedauerlicherweise gehalten - die Böen machen das Fahren mit einem Hausboot deutlich schwieriger - auch wenn wir Dienstag und Mittwoch tapfer unsere Manöver geübt haben. Und Knoten haben wir ebenfalls gelernt - und langsam hatte ich auch das Gefühl, ich könnte sie mir vielleicht doch merken?
Sportbootführerschein - die Ausbildung
Die theoretische Ausbildung haben wir in den zurückliegenden Wochen von zu Haus aus online gebüffelt. Dazu gab es einen Zugangscode für den Sportbootführerschein Online-Kurs, der uns in lerngerechten Kapiteln in die wesentlichen Inhalte der späteren Prüfung einführt und uns auch die Möglichkeit gab, die Fragebögen schon einmal zu üben.
Was da in unsere Köpfe musste war schon nicht ganz ohne: Binnenschifffahrtsordnung, Ausweichregeln, Betonnung und Befeuerung von Binnengewässern, Lichterführung unterschiedlicher Schiffstypen, das Erkennen verschiedener Schiffssignale, das Verhalten zur Unfallverhütung und die „kleine Motorenkunde“ gehören zum theoretischen Programm.
Auch Knoten müssen wir können: Achtknoten, Kreuzknoten, Palstek, einfacher oder doppelter Schotstek, Stopperstek, Webeleinstek, Webeleinstek auf Slip, Rundtörn mit zwei halben Schlägen, Belegen auf einer Klampe mit Kopfschlag. All das müssen wir zeigen, benennen und erklären, wozu sie verwendet werden. Alle Führerscheinanwärter haben schon ab dem zweiten Tag fast immer ein Stück Leine in der Hand und üben Knoten, wo immer es geht.
Für das Selbststudium ist auch das Buch
sehr gut geeignet. Wir können es uneingeschränkt weiterempfehlen.
Übungsfahrten
Unbestrittener Höhepunkt jedes Tages sind die Übungsfahrten: Aufstoppen, Wenden auf engem Raum oder An- bzw. Ablegen. Jedes Manöver hat seinen ganz speziellen Reiz, besonders wenn es neu ist. Und allmählich entwickeln wir ein Gefühl für das Boot. Dafür was bei den einzelnen Manövern zu tun ist, wie das Schiff sich verhält.
Und dann natürlich „der Klassiker“: Mensch über Bord. Natürlich schmeißen wir niemanden ins Wasser, nur um zu üben. Zu Manöverzwecken reicht uns ein Rettungsring. Wenn der über Bord gegangen ist, rufen wir uns „Mann über Bord“ zu und melden die Richtung des Ringes. Das passiert, damit keine Hektik an Bord ausbricht und das Manöver in Ruhe gefahren werden kann. Wenn das Boot dann im großen Bogen gegen den Wind an den Ring manövriert ist, genau daneben stoppt und der Ring wieder an Bord genommen wurde, löst sich die Spannung.
Dann ist der Prüfungstag plötzlich da und wird zu einer Nervenprobe für alle Beteiligten. Die dreiköpfige Prüfungskommission kommt wegen eines Staus auf der Autobahn zwischen Potsdam und Brandenburg zu spät, wir haben reichlich Zeit, immer nervöser zu werden. Als sie dann da ist geht es auf einmal ganz schnell. Wir werden in vier Gruppen eingeteilt, zwei machen Theorie und Knotenprüfung, die anderen zwei Gruppen gehen mit je einem Boot und einem Prüfer auf die Havel.
Wir gehen zuerst aufs Wasser, der Gatte ist der Erste. Alles geht gut, auch das gefürchtete Anlegemanöver. Das macht mir Mut. Während wir anderen vier unsere Manöver absolvieren darf er schon einmal die Theorie ankreuzen – und, nachdem alle die Praktische Prüfung absolviert haben, darf er auch schon knoten.
Für mich und die anderen geht es hoch in den Prüfungsraum. Ab in die vorletzte Runde, die theoretische Prüfung. Ganz zum Schluss die Knoten. Wie befürchtet: ein echter Aussetzer, ein richtiges black-out beim Palstek. Einmal die Augen schließen, tief durchatmen – und dann fällt es mir doch alles wieder ein. Puuh, was ein Nervenstress. Der Vorsitzende der Prüfungskommission schaut die Prüfungsbögen durch, zeichnet ab, schmunzelt und erlöst uns: Alle haben bestanden. Den Führerschein gibt es in der nächsten Woche per Post. Es ist geschafft!
Herzlichen Dank an das BunBo Charter Team, an die freundliche Prüfungskommission und ganz besonders an Gordon, Steffen, Ricardo und die anderen, die uns in der Praxis so gut trainiert haben, dass die Prüfungsmanöver dann gar nicht mehr so schlimm waren und auch die Knoten klappten!
Mehr Hausboot gibt es hier:
www.zypresseunterwegs.de Blog Feed
Entdeckungsreise auf der Havel mit einem rollstuhlgerechten Hausboot>> mehr lesen
Im Oktober per Hausboot auf der Havel
>> mehr lesen
Einkaufsliste für eine Hausboottour
>> mehr lesen
Nautische Reisetipps Zeeland Niederlande
>> mehr lesen
Hausboot Überführung in Brandenburg
>> mehr lesen
Wir haben den Sportbootführerschein auf der Havel gemacht
>> mehr lesen
Was uns an einem Hausboot-Törn mit einem BunBo so gefällt
>> mehr lesen
Bräuhaus Kneipe Pur in Brandenburg Plaue
>> mehr lesen
Sandra (Dienstag, 17 September 2019 00:27)
Wow, Ihr habt ihn schon gemacht! Endlich - zehn Jahre nach unserem ersten Mal - machen wir jetzt auch den SBF im Mai. Danke für Deinen Bericht, der macht Mut ☀️�
Zypresse (Samstag, 27 Januar 2018 12:23)
Danke für Deinen Kommentar, liebe Maike! Wo soll es denn hingehen?
Maike (Samstag, 27 Januar 2018 12:19)
Tolle Bilder! Es ist schön unten den ganzen Blog Posts mal wieder etwas über das eigene Land zu lesen. Ich habe mir für dieses Jahr auch vorgenommen mehr Ausflüge innerhalb Deutschlands zu machen. Da gibt es einfach auch so viel schönes, was man manchmal vergisst. Danke fürs Erinnern :)
Zypresse (Samstag, 27 Januar 2018 12:15)
Danke, Franzi - in diesem Jahr geht es wieder auf die Havel: wir werden ein Boot von Brandenburg nach Lychen in der Uckermark überführen. Und dann kommen wir auch an Werder, Potsdam und Berlin vorbei.
Franzi (Samstag, 27 Januar 2018 09:42)
Man vergisst wirklich manchmal, was das eigene Land zu bieten hat! Tolle Fotos.
Und herzlichen Glückwunsch zum Führerschein! :-)
Zypresse (Freitag, 11 November 2016 08:15)
Ein Speedboot... ja, Alexandra, das wäre auch etwas gewesen. Aber nein, wir haben es deutlich ruhiger angehen lassen. So ist die Havel eine echte Genussreise! Und auf der Havel bis Spandau,Götz, das wäre mal unser Traum (und mit dem Sportbootführerschein dürften wir jetzt sogar) - vielleicht klappt das ja mal!
Götz A.Primke (Donnerstag, 10 November 2016 22:46)
Die Havel ist ja meine Heimat. Ich komme aus Spandau, bin als Kind schon in der Havel geschwommen, auf dem Segelboot meines Vaters lernte ich segeln, auf dem Ruderboot rudern... In Brandenburg war ich mal im Zuge einer Radtour von Dessau über das Sorat Hotel Wittenberg und das Sorat Hotel Brandenburg nach Spandau. War toll damals.
Orange Diamond Blog (Sonntag, 30 Oktober 2016 19:03)
Hallo Ulrike,
ich habe nicht schlecht gestaunt als ich von einer Reise und einem Sportbootführerschein las. Irgendwie dachte ich zunächst an ein Speedboot! Nun ja, dieses Boot ist von der Funktionalität noch eine Ecke besser. Es geht sogar mit einem Rollstuhl - grandios!
Viele Grüße,
Alexandra.