Wer nach Bremerhaven reist, der muss, klar, in das Deutsche Auswandererhaus. Auch wenn es in der eigenen Familie vielleicht gar keine Auswanderer gibt, spannend ist es schon, wie früher und heute Aus- und Einwanderung funktioniert.
Das Museum wurde 2005 eröffnet. Sein Hauptthema ist die Auswanderung Deutscher in die USA. Seit 2012 gibt es eine Erweiterung, in der die Einwanderung nach Deutschland seit dem frühen 18. Jahrhundert im Fokus steht. Nebeneffekt für uns: Kindheitserinnerung wurden wach beim Schwerpunkt mit den 1960er- und 1970er-Jahren und nachgebauten Geschäften, Büros und einem Kino. Diesen Teil haben wir leider aus Zeitmangel nur noch ganz kurz durchstreifen können, möchten ihn Euch aber dennoch ans Herz legen. Das Thema Einwanderung, Wirtschaftsmigration oder auch Flucht ist schließlich auch heute ganz aktuell.
Richtig gut gemacht: bei unserem Rundgang konnten wir die einzelnen Stationen einer Auswanderung verfolgen, schlüpften dazu in die Rolle eines echten Auswanderers. Ich ging als Hertha Nathorff auf die Reise, der Gatte als Carl Lämmle. Und dabei kommt modernste Technik zum Einsatz: mit der Eintrittskarte bekamen wir eine Chipkarte, der uns ihre Welt in zahlreichen Details öffnete. Dazu mussten wir diese bei den verschiedenen Computer- oder Hörstationen gegen eine markierte Stelle halten und bekamen spannende Informationen: zu ihrer Familiengeschichte, aber auch zeitgeschichtliche Hintergrundinformationen. So kam mir Herthas Geschichte ganz nah, das Schicksal "meiner Auswanderin" berührte mich ganz persönlich.
Ausreise am Kai des Auswandererhauses
Unsere Auswanderung begann in der Wartehalle, dem Tor zur Reise in die Neue Welt. Der Wartesaal ist ein rekonstruierter Bau des Norddeutschen Lloyd von 1869. Dort wurden wir auf die Geschichte Bremerhavens als Haupt-Auswanderungshafen an der Küste eingestimmt.
Noch näher, mit einem richtigen Gänsehautfeeling kam uns die Auswanderung danach. An der Kaianlage (ein Nachbau der Situation um 1880) bekam ich ein Gefühl für das "Reisefieber", die Ungewissheit, die Wehmut des Abschieds, die alle Auswanderer damals gefühlt haben müssen. Vergessen darf man dabei sicher nicht: die Welt war "größer" damals und für fast alle Auswanderer war diese Reise ein Abschied für immer, Kontakte zu Familie und Freunden, zur Heimat waren nur per Brief mit langen Laufzeiten möglich, ein Heimflug "mal eben" überhaupt nicht denkbar. Kein Internet, keine "facetime", kein Skype. Um wie viel schwerer muss der Abschied gewesen sein.
Wenn man im halbdunklen Raum steht, vor sich das Wasser und die meterhohe Bordwand des Schiffes, inmitten von Reisenden, beginnt man sich unwillkürlich zu fragen: Wird es eine gute und gesunde Reise? Wer wird jemals zurückkehren? Was erwartet die Auswanderer auf der anderen Seite des Atlantiks? Gibt es ein Wiedersehen mit der Familie? Werden sie ihr Glück und eine neue Heimat finden?
Die nächsten Stationen beim Rundgang führten uns dann an Bord verschiedener Schiffe und machten eine Vorstellung davon möglich, wie damals Auswanderer ihre Atlantiküberquerung erlebt oder erlitten haben. Sehr eindrücklich sieht man die Verhältnisse an Bord, die unterschiedlichen Schiffsräume im Zwischendeck eines Seglers oder der Schlafsäle und Sanitärräume eines Schnelldampfers.
Millionen Auswanderer - Millionen Leben
Persönlich wird es bei unserem Rundgang kurz darauf. Mehr als sieben Millionen Auswanderer brachen über Bremerhaven nach Übersee auf. In der „Galerie der 7 Millionen“ kann man verschiedene Fächer öffnen und findet darin die persönlichen Lebensgeschichten einiger von ihnen. Manchmal nur Namen und das Abfahrtsdatum, bei anderen gibt es eine detailreiche Biografie.
Etwas später hatten wir die Atlantik-Überquerung überstanden und traten hinaus ins Licht (und das tatsächlich: es öffnet sich ein heller Raum mit großem Fenster und einem Blick auf die große und symbolträchtige Weltkugel). Weiter geht es durch einen langen Gang, mit Herzklopfen zur Einreise in die Vereinigten Staaten, in die Räume der Einwanderungsbehörde auf Ellis Island. Hier können wir Fragen der Einwanderungsbehörde aus dem Jahr 1907 beantworten, die vor der Erlaubnis der Einreise standen. Hätten wir damals einreisen dürfen? Tja, ich schon, der Gatte hingegen darf nicht einwandern: dies ist Menschen mit einer Behinderung nicht gestattet.
Zum Glück sind wir im Museum und so können wir unseren Weg fortsetzen und landen mitten in New York, in der Grand Central Station. Hinter den Fahrkartenschaltern finden wir Fotos, Dokumente und Erinnerungsstücke zu deutschen Einwandererfamilien, ihren Nachkommen und Schaubilder zu ihren Erfolgen und ihrem Scheitern.
schaut mal nach unten...
Alles in allem: das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven ist ein spannendes, gut aufbereitetes Museum. Eine echte Empfehlung für geschichtlich, politisch Interessierte oder für einen Regentag am Meer.
Ach ja, und achtet mal darauf, auf dem Weg ins Museum oder auch beim Verlassen: Vor dem Auswandererhaus erinnern Pflastersteine an Auswandererbiografien. Dort sind die Namen von Emigranten zusammen mit dem Jahr ihrer Auswanderung und dem Ziel ihrer Reise eingraviert.
Informationen und Barrierefreiheit
Das Deutsche Auswandererhaus ist auch auf den Besuch von Menschen mit Behinderungen eingerichtet. Alle Räumlichkeiten sind barrierefrei. Etwas Besonderes: nach Voranmeldung bietet das Museum auch Führungen für Menschen mit Sehbehinderung oder in Gebärdensprache an – Klasse! Im Detail:
Gehörlose
- Texte zu ausgewählten Biografien von Aus- und Einwanderern sind ausgedruckt an der Kasse vorhanden und ersetzen die Hörstationen, an denen die Besucher den Biografien von Aus- und Einwanderern folgen
- Schreibmaterialien liegen an allen wichtigen Stellen des Museums für die problemlose Kommunikation mit Gehörlosen bereit
Blinde und Sehbehinderte
- viele Stationen im Museum sind als Hörstationen angelegt und somit auch blinden und sehbehinderten Besuchern zugänglich
- bei gebuchten Führungen können in Begleitung eines Gästebetreuers Figuren und andere Ausstellungsstücke berührt und das Museum so auf vielfältige Art und Weise mit den Händen erkundet werden
- ausgebildete Blindenhunde sind im Museum erlaubt
Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte
- Aufzüge und breite Flure machen alle Bereiche des Museums zugänglich
- Behindertengerechte Toiletten sind vorhanden
- Rollstühle können an der Kasse ausgeliehen werden
Öffnungszeiten
- März - Oktober: Täglich von 10 bis 18 Uhr
- November - Februar: Täglich von 10 bis 17 Uhr
Letzter Einlass ist jeweils eine Stunde vor Schließung.
Eintrittspreise
- Erwachsene 14,50 EUR
- Rentner, Senioren 13,90 EUR
- Schüler, Studierende, Auszubildende, Arbeitslose, Behinderte ab GdB 50 % 12,50 EUR
- Kinder von 5 bis 16 Jahren 8,80 EUR
- 1 Erwachsener und eigene Kinder von 5 bis 16 Jahren 25,00 EUR
- 2 Erwachsene und Kinder 5 – 16 Jahren 38,00 EUR
Deutsches Auswandererhaus
Columbusstraße 65
D-27568 Bremerhaven
Tel.: 0471 / 90 22 0 – 0
Tanja war auch in Bremerhaven
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- Das Auswandererhaus in Bremerhaven: Vom Aufbrechen und Ankommen in Deutschland
und ganz neu findet ihr bei Tanja
Janett hat einen ganzen Tag im Fischereihafen verbracht und einen Fisch-Kochkurs besucht.
Heiko hat Bremerhaven Sehenswürdigkeiten & City Tipps
Marlene war im Auswanderhaus Bremerhaven und hat sich Gedanken über die Suche nach dem Glück gemacht.
Gudrun war ebenfalls in Bremerhaven und hat auch das Auswandererhaus besucht.
Unseren Besuch in Bremerhaven haben das Deutsche Auswandererhaus und die Erlebnis Bremerhaven GmbH mit Informationen, Tipps und Tickets unterstützt.
Dafür bedanken wir uns herzlich. Unsere Meinung zu den besuchten Attraktionen hat das nicht beeinflusst.
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Zypresse (Friday, 18 August 2017 15:04)
Liebe Beate,
ein wenig Kanada (und Südamerika, Australien...usw.) gibt es schon, nur der Schwerpunkt ist halt in den USA. Und falls es Dich/Euch mal wieder in den Norden treibt: schau es Dir an (und freu' Dich schon einmal: demnächst gibt es hier noch einen Bericht über das Klimahaus in Bremerhaven, da geht es entlang des 8. Längengrade rund um die Erde, sehr spannend!)
Beate (Friday, 18 August 2017 14:58)
Beeindruckend; da hat sich jemand (haben sich viele) Gedanken gemacht und offensichtlich mit Kompetenz und Kreativität etwas Großartiges auf die Beine gestellt. Schade, dass das Auswandererhaus nicht viel bekannter ist!
Schade auch, dass es kein Pendant für die Auswanderung nach Kanada gibt (?); das hätte mich persönlich noch mehr interessiert.
Danke für diesen informativen und eindrucksvollen Bericht
Beate