Einige von Euch werden es wissen, manchmal organisiere ich Besichtigungen, Führungen durch Museen, spannende Ausstellungen. Traditionell findet das zwischen Weihnachten und Silvester statt - quasi als Ausgleich zum Essen und besinnlich unterm Tannenbaum Sitzen. Manchmal passiert so etwas aber auch zu anderen Zeiten im Jahr, so war es auch im November.
Schon vor einigen Monaten hatte ich gelesen, dass es die Möglichkeit gibt, das Europäische Astronautenzentrum (EAC) in Köln zu besuchen. Nach Voranmeldung, in einer Gruppe und mit einer fachkundigen Führung. Das reizte mich sofort. Einmal dorthin, wo unsere europäischen Astronauten ausgebildet werden? Ich hatte unseren Besuch im Kennedy Space Center in Cape Canaveral (Florida) in guter Erinnerung; dachte zurück an meine (ungeliebten) ersten Programmierversuche im Gymnasium, damals in den 70ern: die Mondlandung sollten wir programmieren...
Und so kam es, das wir Anfang November in das 1990 gegründete Europäische Astronautenzentrum fuhren und von Laura Winterling für gute 1 1/2 Stunden ganz viel Neues, Spannendes über die Auswahl, Ausbildung, Betreuung von Astronauten während der Vorbereitung und Durchführung der Weltraummissionen erfuhren. Die nackten Fakten, ganz trocken und in einigen Stichpunkten:
- das EAC schult die Astronauten und das Bodenpersonal für sämtliche europäischen Komponenten der Internationalen Raumstation
- hier werden die Tätigkeiten und Einsätze der Astronauten geplant
- die Astronauten üben hier in Köln an allen wichtigen europäischen Komponenten der Internationalen Raumstation
Das EAC ist auf dem Gelände der DLR beheimatet. Hinein kommt man erst nach einem Sicherheitscheck und der Eingangsbereich ist ziemlich unspektakulär: Pförtnerloge, Schlagbaum und dann geht es über schmale Straßen aufs Gelände mit zahlreichen Bürogebäuden zwischen Grünflächen und baumbestandenen Alleen.
Hier werden Astronauten ausgebildet
Luft- und Raumfahrt, bei diesem Thema rechnet man ja mal zunächst nicht mit einer zierlichen jungen Frau. Laura Winterling, die uns durch das EAC begleitet, ist Physikerin und hat mehrere Jahre unsere Astronauten trainiert. Sie hat ihnen zum Beispiel technische Abläufe erklärt oder Experimente mit ihnen intensiv, sozusagen im Trockenen, geübt. Damit gehört auch sie zu den Lehrer*Innen, die anderen etwas beibringen, was sie selber nie machen können.
Freundlich und locker, mit Zeit für Fragen und immer mal wieder einen Scherz erklärt uns die Fränkin (und nicht Bayerin, darauf legt sie bei aller Internationalität dann doch Wert) einiges über die ISS. So erfahren wir zum Beispiel, dass die Internationale Raumstation ISS in etwa die Größe eines Fußfallfeldes hat. Keiner von uns wusste, dass sie mit 28.000 Kilometern pro Stunde im Orbit unterwegs ist, also alle 90 Minuten die Erde umkreist. Immerhin habe ich sie schon einmal am Himmel vorbeiziehen sehen, die ISS. Denn weil diese das Sonnenlicht reflektiert, ist sie heller als der hellste Stern und bei klarem Himmel oft gut zu sehen.
Unsere Führung startet mit einem spannenden und von zahlreichen Dialogen unterbrochenen Vortrag im Hörsaal des EAC. Wir erfahren etwas über deutsche und europäische Astronauten, lernen, dass zum europäischen Team ESA auch die Kanadier gehören.
Und klar: ein Flug zur ISS ist teuer, es gibt keine Spartarife und die Astronauten gehen mit wertvollem Material um. Sie wollen und sollen eine sichere Reise erleben und auch auf eventuell kritische Situationen gut vorbereitet sein. Also spielt eine gute Vorbereitung eine große Rolle.
Die Ausbildung der Männer und Frauen für ihren Einsatz auf der Internationalen Raumstation ist ein komplexer und auch internationaler Prozess. Sie findet in den USA und in Russland statt, in Köln liegt der Schwerpunkt bei den Modulen der ISS und den Experimenten, die von der ESA verantwortet werden. Ja und dann lernen die Astronauten unter anderem so unerwartete Themen wie Tauchen (das bereitet auf Weltraumspaziergänge vor) oder auch Russisch (schließlich müssen sie auch die Beschriftungen an den Schaltern im russischen Teil der ISS verstehen). Sie üben den normalen Betrieb, den Austausch defekter Teile oder auch Reparaturen.
Was machen die Astronaut*Innen eigentlich, wenn sie dienstfrei haben?
Auf unserem Rundgang erfahren wir noch mehr. Wir werfen einen Blick in das Kontrollzentrum und dann geht es in die Halle mit all den Modulen, aus denen die ISS besteht. Die sind hier tatsächlich in Originalgröße nachgebaut, für die angehenden Astronaut*Innen zum Trainieren. Und wir, wir dürfen tatsächlich hinein in das Modul Columbus und dort ein wenig Weltraumluft schnuppern. Nein, schwerelos sind wir nicht, wir spazieren durch die Räume, in denen wirklich jedes Eckchen genutzt wird. Als Lagerraum, für Steuerelemente, für kleine Labors. Und natürlich auch für die Unterbringung der oben lebenden Menschen. Die "Zimmer" auf der ISS, die sind schon arg klein. Sie haben ungefähr die Grundfläche einer Telefonzelle.
Wir wissen ja inzwischen, von Fotos oder Videos aus der ISS: die Männer und Frauen haben nicht nonstop einen Raumanzug an, nein, sie tragen Jeans und T-Shirt, manchmal sogar Shorts. Und ihre Freizeit, die verbringen sie auf der ISS ziemlich genau so wie wir hier auch: sie telefonieren, sie lesen, sie schreiben Mails, schauen Filme. Sport machen sie auch, die Astronaut*Innen. Training mit Gewichten, Laufband, Radfahren steht jeden Tag auf dem Programm. Sonst würden wegen der Schwerelosigkeit die Muskeln rasant schnell abbauen.
Allerdings der Ausblick aus dem Fenster, den sie haben, der ist einzigartig: die zerbrechliche blaue Murmel auf der wir leben, die haben sie eigentlich immer im Blick. Und wenn sie wollen, dann erleben sie 16 Sonnenauf- und -untergänge am Tag.
Laura Winterling entlässt uns an diesem Samstag mit einem Auftrag: morgens, wenn wir uns noch einmal gemütlich in unser Bett kuscheln, dann sollen wir an sie denken. An die sechs Menschen, die auf der ISS unterwegs sind. Und speziell den jüngeren Teilnehmer*Innen unserer Tour gibt sie etwas mit auf den Weg:
"Hört nicht auf das, was Andere Euch einreden wollen. Hört in Euch hinein, hört auf Euer Herz. Das, wofür Euer Herz schlägt, probiert aus. Traut Euch, Euren eigenen Weg zu gehen."
Informationen und Barrierefreiheit
- Hier findet Ihr immer die aktuelle Position der ISS
- Wenn Ihr die ISS selbst beobachten wollt könnt Ihr dies hier nachschauen
- es gibt von oben auch einen Live-Stream
- Videos aus der ISS gibt es ebenfalls
Touren im EAC kann man über Space Time Concepts buchen; auch Köln Tourismus hat die Führung durch das Europäische Astronautenzentrum im Angebot.
Das EAC und der Hörsaal sind barrierefrei; die Halle mit den nachgebauten ISS-Modulen ist zwar ebenerdig erreichbar, in das Innere der Module kommt man jedoch nur über Stufen. Besuche im Rollstuhl sollten in jedem Fall mit dem Veranstalter im Detail abgesprochen werden.
Offenlegung: Unseren Besuch im Europäischen Astronautenzentrum haben wir selbst organisiert und bezahlt. Da wir das Ausflugsziel usw. bewerben bzw. einen Besuch dort empfehlen, meinen nun verbraucherschützende Gerichte, wir müssten diesen Beitrag als Werbung kennzeichnen.
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Leuchtbiene (Tuesday, 02 January 2018 16:06)
Liebe Zypresse, obwohl ich dabei war, gibt es in diesem Blogbeitrag noch viel zu entdecken. Cool, den Live-Stream anzuschauen - eben haben zwei Astronauten einem Raumanzug den "Kopf" anmontiert ;-) - Danke für die Organisation und für den interessanten Blogbeitrag mit schönen Fotos - Leuchtbiene
Zypresse (Tuesday, 02 January 2018 16:19)
In der Tat - ich glaube, die setzen da im Livestream von der ISS grad zwei Raumanzüge zusammen. Sind ja neue Jungs oben, deren Anzüge waren vielleicht für den Transport zerlegt?
Danke für den Kommentar, Leuchtbiene!
Steffi (Thursday, 04 January 2018 14:14)
Danke für den Beitrag! Ich wusste gar nicht, dass wir so etwas in Köln haben! Will jetzt natürlich dahin. Ist gemerkt (gepinnt) für den nächsten Urlaub zu Hause.
Liebe Grüße
Steffi
Beate (Saturday, 06 January 2018 10:40)
Leider haben wir es auf keiner unserer beiden Florida-Reisen geschafft, Cape Canaveral zu besuchen. Diese Tatsache hätte mich weniger traurig gemacht, hätte ich damals schon gewusst, was ich hier und jetzt gelernt habe: da gibt es in Köln das Europäische Astronautenzentrum, und man kann es sogar besichtigen. Danke für diesen interessanten Bericht!
À propos "Mondlandung programmieren": zufällig sah ich vor einigen Tagen den Film "Hidden Figures. Unerkannte Heldinnen" im TV. Sehr zu empfehlen!
Zypresse (Saturday, 06 January 2018 10:50)
Liebe Steffi, aber rechtzeitig vorher anmelden nicht vergessen.
Liebe Beate, Cape Canaveral ist noch einmal eine andere Hausnummer: größer und mit viel "Devotionalien" aus der Raumfahrtgeschichte. Hier in Köln fand ich den Einblick aus erster Hand von der wirklich tollen Laura Winterling sehr eindrucksvoll. Und Hidden Figures hat mir Leuchtbiene bereits empfohlen, steht auf der Liste.
Habt ein schönes Wochenende!