Nach etlichen Flügen auf kurzen und langen Strecken, in Deutschland und Europa und auch weltweit haben wir so einige Flugerfahrungen mit Rollstuhl gesammelt. Unsere Erlebnisse waren überwiegend positiv - zu den wenigen negativen Erfahrungen gehört London Heathrow am Eröffnungstag.
Weil wir aber immer wieder danach gefragt werden, wie das eigentlich so geht mit dem Fliegen im Rollstuhl haben wir diese Liste zusammengestellt. Sie soll anderen Rollstuhlfahrern helfen, dazu beizutragen, dass alle nötigen Vorkehrungen für einen reibungslosen Flug getroffen werden.
Bitte beachtet, diese Checkliste basiert allein auf unseren Erfahrungen, wir können nicht sicher sein, dass sie vollständig ist. Falls Ihr also weitere Tipps, Ergänzungen und sonstige Rückmeldungen habt: ab damit in die Kommentare!
Planung der Reise
Fluggesellschaften sind verpflichtet, auch Personen mit einer Gehbehinderung zu befördern. Der Service am Flughafen für Menschen im Rollstuhl ist kostenlos, ebenso die Beförderung des Rollstuhl zusätzlich zum normalen Freigepäck. Generell solltest Ihr Euch darauf einstellen, den Rollstuhl wechseln zu müssen, um vom Flughafen ins Flugzeug zu gelangen.
- Nehmt eine Begleitperson mit, die Euch am Flughafen und im Flugzeug unterstützen kann.
- Teilt bei der Buchung des Flugs die Gehbehinderung mit. In der Regel kann beim Buchungsprozess eine entsprechende Option ausgewählt werden.
- Eine Sitzplatzreservierung ist bei den meisten Airlines für Menschen mit Behinderung kostenlos. Im Zweifel: Hotline anrufen und darum bitten, eine passende Sitzplatzreservierung für Euch vorzunehmen.
- Reisen mit einem Handrollstuhl ohne Motor ist am einfachsten. Für elektrische Rollstühle gibt es Beschränkungen und Vorgaben (Gewicht, Art der Batterie, Batterie abklemmen etc.)
- Falls Ihr Medikamente benötigt, nehmt eine ärztliche Bescheinigung auf Deutsch und Englisch mit (hier gibt es das nützliche ADAC-Formular Medikamentenmitnahme zum Herunterladen).
Ein wenig Juristendeutsch:
Fluggäste mit eingeschränkter Mobilität werden in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 vom 5. Juli 2006 über die Rechte von Fluggästen mit Behinderung und Fluggästen mit eingeschränkter Mobilität befördert. Fluggäste, die in die und aus den USA reisen, werden gemäß den U.S. DOT-Bestimmungen, Kapitel 14, Teil 382 des Code of Federal Regulations, befördert.
Vorbereitungen zu Hause
- Meldet Euch spätestens 48 Stunden vor Abflug telefonisch bei der Fluggesellschaft, um erneut an den Rollstuhl und ggf. Besonderheiten zu erinnern. Das Gleiche gilt im übrigen auch vor dem Rückflug.
- Nur bei Langstreckenflügen über 5 Stunden Flugzeit ist ein Bordrollstuhl gesetzlich vorgeschrieben. Es schadet nicht, einfach mal nachzufragen, ob auch bei kürzeren Flügen ein Bordrollstuhl mitgenommen werden kann. Starts und Landungen können sich immer mal verzögern.
- Notiert Euch die Masse (Länge, Breite und Höhe, offen und zugeklappt) und das Gewicht des Rollstuhls. Schon bei der Buchung, oft genug aber erneut beim Check-In wird danach gefragt.
- Bringt ein Namensschild, evtl. Adresse und/oder (Mobil-) Telefonnummer am Rollstuhl an.
- Es gibt Rollstuhlfahrer, die schützen exponierte Stellen des Rollstuhls mit Luftpolsterfolie. In der Regel behandelt das Bodenpersonal ihn zwar vorsichtig, aber weiß man's?
- Packt eine Luftpumpe mit Flickzeug für platte Reifen und Werkzeug, z.B. einen Inbusschlüssel für die Bremse, gelöste Schrauben u. ä. ins Aufgabegepäck. Vielleicht sind auch ein Reserveschlauch oder sonstige Verschleißteile ganz nützlich? Da habt Ihr sicher Eure eigenen Erfahrungen.
- Plant die Anreise zum Flughafen. Die Flughäfen empfehlen Passagieren im Rollstuhl, spätestens 2 Stunden vor dem Abflug am Check-In einzutreffen.
- Informiert Euch über Parkmöglichkeiten, falls Ihr mit dem Auto zum Flughafen fahrt. Häufig erhalten Inhaber eines blauen Behindertenparkausweises vergünstigte Parktarife. Fragt beim Flughafen nach, falls Ihr den Behindertenparkausweis ins Reiseland mitnehmen möchtet (in Düsseldorf beispielsweise reicht im Auto eine Kopie, vor der Ausfahrt aus dem Parkhaus lässt man den Parkschein entwerten und legt den blauen Ausweis im Original vor).
Meist findet Ihr auch Informationen auf der Seite Eures Abflug-Flughafens, hier z. B. die Informationen des Flughafens Düsseldorf für Fluggäste mit Mobilitätsbeeinträchtigungen.
Kontrolle am Check-In-Schalter und Sicherheitskontrolle
Beim Check in:
- Wurde der Rollstuhl als Gepäckstück erfasst und ein Baggage Tag am Rollstuhl befestigt?
- Wurde der orangefarbene Anhänger "Delivery at Aircraft" am Rollstuhl angebracht? So
erhaltet Ihr ihn direkt nach dem Aussteigen aus dem Flugzeug zurück. - Befindet sich der Sitz in einer Sitzreihe mit vollständig hochklappbaren Armlehnen?
- Wenn Ihr gemeinsam mit einer Begleitperson reist: Wurde der dritte Sitz in der
Sitzreihe blockiert? Dies ist in der Regel dann möglich, wenn das Flugzeug nicht voll ist und sichert Euch einen bequemeren Flug. - Wurden Helfer für den Ein- und auch den Ausstieg am Zielflughafen avisiert?
- Wurde der richtige Code ins System eingegeben (Code: siehe unten)?
- Nach dem Check-In werden Rollstuhlfahrer häufig gebeten, sich noch zusätzlich an einem Spezialschalter zu melden oder in einem "Special Assistance"-Bereich zu warten, um dann von einem Helfer durch die Sicherheits- und Passkontrollen begleitet zu werden. Ansonsten nachfragen! Wenn Ihr es Euch zutraut könnt Ihr auch absprechen, die Helfer erst später direkt am Gate zu treffen - so habt Ihr noch Zeit und Freiheit für einen Kaffee, einen Bummeln am Flughafen.
Sicherheitskontrolle
- Rollstuhlfahrer werden bei der Sicherheitskontrolle nicht von den standardmäßigen (Türrahmen-ähnlichen) Metalldetektoren überprüft, sondern mit einer Handsonde, bzw. durch Abtasten. Die normalen Detektoren würden andernfalls Alarm schlagen, da an einem Rollstuhl i.d.R. auch Metallteile enthalten sind.
- Führt Ihr Prothesen oder ähnliches mit, solltet Ihr dies dem Kontrollpersonal vorab mitteilen. Gleiches gilt für einen Herzschrittmacher (Herzschrittmacherpass bereithalten und bei der Sicherheitskontrolle vorzeigen).
- Nach der Handkontrolle folgt dann bei einem Rollstuhlfahrer eine weitere Kontrolle mit einem Sprengstoff-Spürstreifen oder einem Sprengstoffspürgerät (eine Art "Handstaubsauger"). Hierdurch soll sichergestellt werden, dass z. B. der Kleiderschutz am Rollstuhl auch tatsächlich aus Plastik besteht und nicht etwa aus Plastiksprengstoff.
Codes
- WCHC ("Wheelchair Carry"): Der Passagier kann sich nicht ohne fremde Hilfe fortbewegen und benötigt Hilfe bis zum Sitzplatz. Sitzen mit aufgestellter Rückenlehne ist aber möglich.
- WCHS ("Wheelchair Steps"): Der Passagier kann sich eingeschränkt fortbewegen und benötigt im Flugzeug keine fremde Hilfe, jedoch um Treppen zu überwinden und zum Flugzeug zu gelangen.
- WCHR ("Wheelchair Ramp"): Der Passagier benötigt Hilfe, um zum Flugzeug zu gelangen, kann jedoch selbst Treppen steigen oder einen Shuttlebus zum Flugzeug benutzen.
- Weitere Codes:
- WCMP ("Wheelchair Manual Power"): Handbetriebener Rollstuhl
- WCBD ("Wheelchair Battery Dry"): Rollstuhl mit Trockenbatterie
- WCBW ("Wheelchair Battery Wet"): Rollstuhl mit Nassbatterie
- WCOB ("Wheelchair On-Board"): Bordrollstuhl
Einsteigen/aussteigen
- Wegen der zu schmalen Gänge im Flugzeug müssen Rollstuhlfahrer mit vollständiger Gehbehinderung vor dem Einsteigen auf einen Transferrollstuhl (oder Aisle-Chair) umsteigen. Meistens erfolgt dies als sogenanntes Pre-Boarding vor dem regulären Boarding der Maschine durch die übrigen Passagiere und außer deren Sicht.
- Kontrolliert, ob Ihr auf dem Transferrollstuhl richtig gesichert seid. Es gibt zwei überkreuzte Sicherheitsgurte für den Oberkörper und manchmal einen weiteren Sicherheitsgurt für die Beine.
- Klappt Euren eigenen Rollstuhl zusammen (evtl. mit einem Einmalverbinder sichern) und nehmt alle leicht abnehmbaren Teile des Rollstuhls (z.B. Fußstützen, Kleiderschutz, Sitzkissen) mit ins Flugzeug.
- Die Helfer unterstützen Euch beim umsteigen auf den Flugzeugsitz.
- Eigentlich müssen Passagiere mit einer Gehbehinderung am Fenster sitzen, um bei einer Evakuierung keine anderen Passagiere zu blockieren.
- Nach der Landung müsst Ihr darauf warten, dass Ihr abgeholt werdet. Der Ausstieg erfolgt immer erst, nachdem alle anderen Passagiere das Flugzeug verlassen haben.
Im Flugzeug und die Toilette
- In der Regel gibt es am hinteren Ende der Armlehne einen Knopf oder Hebel, um die Armlehne zum Gang hin zu entriegeln.
- Fragt sicherheitshalber beim oder nach dem Einsteigen beim Kabinenpersonal nach, ob sich der Bordrollstuhl an Bord befindet.
- Und unterwegs, vor der Landung am Ziel: Fragt noch einmal nach, ob die Auslieferung Eures eigenen Rollstuhls am Flugzeug und die Ausstiegshilfe am Zielflughafen angefordert wurde. Es ist manches Mal recht hilfreich, wenn der Pilot daran noch einmal erinnert (das erspart der Crew und Euch möglicherweise lange Wartezeiten).
Toilette:
Ruft das Kabinenpersonal, wenn Ihr die Toilette benutzen müsst. Das Kabinenpersonal bringt den Bordrollstuhl und fährt Euch damit zur Toilette. In der Regel sind die Flugzeug-Toiletten zu klein
für den Bordrollstuhl. Nehmt Euch deshalb die Zeit, die Toiletten-Situation zu erkunden und Euch die bestmögliche Art und Weise für den Umstieg in die WC-Kabine und auf die Toilette zu überlegen
(z.B. Füße in die WC-Kabine stellen, dann auf das WC transferieren, dann Türe schließen). Wichtig zu wissen: die Umstiege vom Sitz auf den Bordrollstuhl und vom Bordrollstuhl in
die Toilette muss Eure Begleitperson unterstützen; es ist den Flugbegleitern in der Regel untersagt, hier zu helfen.
Wie schon oben geschrieben:
Die Checkliste basiert allein auf unseren Erfahrungen,
wir sind nicht sicher, ob sie vollständig ist.
Falls Ihr also weitere Tipps, Ergänzungen und sonstige Rückmeldungen habt:
ab damit in die Kommentare!
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Ahoi und Moin Moin (Monday, 12 March 2018 21:46)
Vielen Dank für deinen interessanten Artikel. Auf meinem Blog dreht sich alles um Barrierefreiheit auf Kreuzfahrt. Je nach ausgewählter Kreuzfahrt muss der Gast auch ins Flugzeug steigen um in den Urlaub zu kommen.
Viele Grüße
Kathy
Zypresse (Tuesday, 13 March 2018 08:48)
Aha... das klingt interessant.