Klar, Vancouver Island ist zunächst einmal bekannt für die grandiose Natur: Wandern, Wasserfälle, wildromantische Küste, Wale und Delfine beobachten, Adlern beim Fischen zusehen. Leider viele Aktivitäten, die für mobilitätsbehinderte Menschen nicht so ganz geeignet sind. Einiges konnten wir verwirklichen: so haben wir eine Walbeobachtungstour unternommen und ein wenig raus in die Natur sind wir auch gekommen.
Schon bei der Reiseplanung allerdings hatte ich nach weiteren Aktivitäten gesucht. Und siehe da: Victoria auf Vancouver Island hat durchaus auch kulinarisch einiges zu bieten. So haben wir uns auf den Weg gemacht zu einem Cider Tasting und einer britischen Teezeremonie. Lasst Euch von mir mitnehmen!
Sea Cider Farm & Ciderhouse
Bei zunächst noch neblig-dunstigem, später dann jedoch schönem Wetter machten wir uns auf den Weg zu unserer Cider Verkostung. Die Sea Cider Farm liegt am Ende einer kleinen Anwohnerstraße, das Haus mitten im Apfelgarten und mit einem schönen Blick über die Apfelbäume aufs Meer.
Die Apfelbäume rundum hingen zum Teil noch richtig voll mit wunderschönen und reifen, rotbackigen Äpfeln - so erwartet man's, wenn es auf eine Cider Farm geht. Das Haus der Sea Cider Farm war eher klein, fast unscheinbar und umso erstaunter waren wir, als wir durch die aus groben Holzbohlen gezimmerte Tür in den großen, hohen Tasting Room traten. Mehrere größere und kleinere Tische standen hier, ein paar alte Stühle als Deko-Elemente und über allem: ein wagenradgroßer Leuchter hing unter der hohen Decke. Rundum läuft eine Veranda, die neben Sitzgelegenheiten bei schönem Wetter auch eine wunderbare Aussicht auf die Straight of Georgia, die Vancouver Island vom Festland British Columbias trennt, bietet.
Für die Cider Probe haben wir die Wahl zwischen einem short flight, drei verschiedenen Cidersorten und einem long flight, der uns sechs verschiedene Cider bietet. Wir beschließen, den langen Flug zu nehmen und so erhalten wir rasch 6 Cider-Proben, die in unterschiedlichen Tönen im Licht schimmern. Beim Probieren erfahren wir ein wenig über die Apfelweinherstellung, für die die Äpfel nicht zu süß sein dürfen. Der Brei aus reifen Äpfeln wird in einer Cidermühle zwischen Mühlsteinen zerkleinert und später gepresst, bis der gesamte Most herausgedrückt ist. Dieser fermentiert bei einer Temperatur zwischen 4 und 16° Celsius. Kurz bevor der gesamte Zuckergehalt des Mostes vergoren ist, wird der Apfelwein in Fässer umgefüllt. Und je nach Herkunft der Fässer wird nun der Geschmack beeinflusst. Nach einer Reifezeit zwischen drei Monaten und drei Jahren wird der Apfelwein in Flaschen abgefüllt und verkauft.
Was haben wir denn nun genau verkostet? Ich habe es auf meiner Cider Score Card akribisch festgehalten
- Wild English - von mir mit nur einem Apfel bewertet
Dieser Cider wird ohne Fremdhefen oder Zucker wild fermentiert, hat leichte 7,5 % Alkohol und schmeckt extrem trocken, fast schon sauer. - Kings & Spies erhielt von mir 4 Äpfel
Ein Cider, der mit Champagnerhefen fermentiert und so fein schmeckt wie ein leckerer Prosecco, fein perlend und mit einem Alkoholgehalt von 8 %. - Pippins mit ebenfalls 4 Äpfeln
Das ist der klassische, mild fruchtige reine Apfelcider mit 9,5 % Alkohol. Wie bemerkte der Gatte: "Pippin´s ist ein Cider, der so ganz locker weg gesüffelt werden kann. Ein genussvolles und erfrischendes Getränk für heiße Tage im Sommer." - Bramble Bubbly mit mittelmäßigen drei Punkten
Ein fein perlender und fruchtiger, mit Brombeeren versetzter Cider. Mit 9,9 % Alkohol ist er sicher als Aperitif gut geeignet.
- Witch's Broom, von mir nur ein Apfel, aber ein Favorit des Gatten: "schmeckte sehr nach Weihnachten. Ein Getränk, das nach meiner Vorstellung sehr gut am Heiligen Abend vor dem Kaminfeuer
getrunken werden kann, insbesondere da es sich auch warm bzw. heiß genießen lässt."
Das war bei unserem Besuch die Spezialität des Monats, ein 9,9 %iger Cider, der auch als Heißgetränk taugt und mit zahlreichen Gewürzen (Zimt, Nelken, Muskat) ein wenig an Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt erinnert. - Rumrunner außerhalb jeder Wertung, weil so ungewöhnlich
Dieser Cider reift mindestens 6 Monate in alten Rumfässern, von denen er geschmacklich eine deutliche Karamell/Melasse-Note erhält. Mit 12,5 % taugt er sicher als Digestif oder auch als Begleiter zu einem kräftigen Dessert, wie auch der Gatte bemerkte: "ein wenig ölig, relativ süß und schwer und eignet sich meines Erachtens sehr gut als Digestif nach einem derberen und deftigen Essen, wie zum Beispiel einem Schweinebraten oder der obligatorischen Gans vor Weihnachten."
Begleitend zu unserer Cider Verkostung haben wir bei Sea Cider Farm ein leckeres Charcuterie Board verspeist, mit Käse, Fleisch und Wurst aus biologischem Anbau und der Nachbarschaft und alles sehr, sehr lecker. Alles in allem: ein Besuch, der sich sehr gelohnt hat und den wir gern und guten Gewissens zur Nachahmung empfehlen.
2487 Mt. St. Michael Rd.
Saanichton, BC V8M 1T7
T: +1 (250) 544-4824
Email info@seacider.ca
Ach ja, zum Cider gibt es dann an dieser Stelle von mir noch eine kleine Leseempfehlung:
- The Cider House Rules von John Irving*
- oder auf deutsch Gottes Werk und Teufels Beitrag*
Der Roman von John Irving spielt überwiegend in den 1930er bis 1950er Jahren und erzählt die Geschichte des Waisenjungen Homer Wells, der in der Obhut des äthersüchtigen Doktor Wilbur Larch, des Leiters des abgelegenen Saint Cloud’s Waisenhauses in Maine, aufwächst. Und ein Teil seines Lebens - ein entscheidender sogar - findet auf einer Apfelplantage statt.
Information und Barrierefreiheit
Öffnungszeiten:
ganzjährig: täglich von 11 Uhr vormittags bis 16 Uhr
Es gibt mehrere Rollstuhlfahrerparkplätze nahe dem Haupteingang. Dieser ist stufenlos erreichbar und auch Tasting Room und Terrasse sind sehr geräumig.
Es gibt eine ausgewiesene Rollstuhlfahrertoilette.
Übrigens, auch Monika von Travelworldonline war bei Sea Cider Farm zum Cider Tasting
The Teahouse at Abkhazi Garden
Nach einen kleinen Pause mit Blick auf das allgegenwärtige Wasser ging es dann zurück in ein grünes, ruhiges Wohnviertel von British Columbias Hauptstadt Victoria. Dort waren wir zur Teezeremonie angemeldet im Teahouse at Abkhazi Garden. Es ist längst nicht so bekannt für den britischen Tee am Nachmittag wie das Empress Hotel am Hafen von Victoria - dafür hat es seinen ganz eigenen Charme und eine spannende Geschichte.
Aber der Reihe nach. Der Abkhazi Garten geht zurück auf Peggy und Prinz Nicholas Abkhazi (einen georgischen Prinzen im Exil). Wie das Leben so spielt, sie lernten sich in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Paris kennen, erlebten die Irrungen und Wirrungen des 2. Weltkriegs (beide landeten in Internierungslagern), wurden getrennt... nach dem Krieg schaffte Peggy es nach Vancouver Island und begann mit der Gestaltung eines Gartens auf dem von ihr gekauften Grundstück. Etwas später meldete sich ihr Prinz und es kam, wie es kommen musste: es folgten Verlobung in New York und kurz darauf die Hochzeit in Victoria. Ihr gemeinsames Leben widmeten sie dem wunderschönen Garten und sie lebten in dem Bungalow, der nun als Teahouse dient.
Nach ihrem Tod hinterließ Peggy Haus und Garten ihrem langjährigen Gärtner. Nachdem dieser, selbst in die Jahre gekommen, die Pflege und den Unterhalt des Abkhazi Garden nicht mehr leisten konnte wurden Haus und Grundstück an Investoren verkauft. Diese wollten auf dem Gelände moderne Stadthäuser errichten. Da hatten sie aber die Rechnung ohne die Nachbarn gemacht. Denn in diesem Moment schlug die Stunde der engagierten Nachbarn: man schloss sich zusammen, gründete eine Stiftung und erwarb die gesamte Anlage zurück. Nur das Teahouse at Abkhazi Garden ist heute verpachtet, Gartenarbeit leisten die Mitglieder der Stiftung, wie wir selbst bei unserem Besuch sehen konnten.
Zum klassischen Afternoon Tea bekamen wir im Teahouse at Abkhazi Garden Miniquiche, mit Lachs gefüllte Brioche, Mini-Gurken-Sandwichs, Scones mit Clotted Cream und Erdbeermarmelade und weitere leckere Süßigkeiten - und natürlich eine große Kanne leckeren englischen Tee. Nach dieser Teezeit waren wir so satt, dass wir am Abend auf Abendessen verzichtet haben.
Die Atmosphäre im Teahouse at Abkhazi Garden ist ruhig, man fühlt sich ein wenig wie bei einer privaten Einladung. Das Geschirr ist eine hübsche, verspielte Mischung von Altertümchen, der Blick geht über die Terrasse in den weitläufigen und wirklich toll bepflanzten Garten. Mir hat es gut gefallen, ich würde einen Besuch hier sogar dem eingangs genannte ehrwürdigen Hotel vorziehen (dort haben wir am nächsten Tag einmal herein geschaut: es war viel trubliger - wenn auch sicher noch ein wenig luxuriöser...)
The Teahouse at Abkhazi Garden
1964 Fairfield Rd.
Victoria, BC Canada
V8S 1H4
T: +1 (778) 265-6466
E: info@abkhaziteahouse.com
Über ihre Erfahrungen in einem japanischen Internierungslager während des Zweiten Weltkrieges hat Peggy Abkhazi ein Buch geschrieben: Enemy Subject No.20/61: Life in a Japanese Internment Camp, 1943-45 (Biography, Letters & Diaries)*
Information und Barrierefreiheit
Öffnungszeiten:
- April bis September: täglich von 11 Uhr vormittags bis 17 Uhr
- Oktober bis März: Mittwoch bis Samstag von 11 Uhr vormittags bis 17 Uhr
Der Garten ist nicht für Rollstuhlfahrer geeignet, er liegt am Hang und verfügt nur über recht naturbelassene Wege.
Das Teehaus ist stufenlos erreichbar, zum Eingang gibt es eine kleine Rampe, um die Schwelle zu überbrücken. Auch die Terrasse ist ebenerdig erreichbar.
Die Toilette ist nicht als barrierefrei ausgewiesen, allerdings recht geräumig. Viele Rollstuhlfahrer werden hier wahrscheinlich gut klarkommen.
Übrigens gibt es noch eine Best-of-Tour zum Essen in Victoria* - die werden wir für unseren nächsten Besuch vormerken!
Unsere Entdeckungstour auf Vancouver Island hat Victoria Tourism durch einen kostenlosen Complimentary Attractions Pass unterstützt. Ich bedanke mich herzlich dafür. Meinung und Bewertung
bleiben wie immer meine ganz persönliche.Unsere Reise nach Kanada haben wir im übrigen vollständig (Anreise, Übernachtungen, Essen, Eintrittsgelder usw.) selbst organisiert und
bezahlt.
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