Wer ans andere Ufer möchte muss den Fluss überqueren.
indianische Weisheit
Auf's Wasser zog es uns schon lange mal. Im Mai 2012 haben wir diese Idee in Brandenburg auf der unteren Havel in die Realität umgesetzt. Unser Ausgangspunkt war die Marina Brandenburg-Plaue.Wir haben für eine Woche ein rollstuhlgerechtes Bungalowboot gechartert und eines "der schönsten und vielfältigsten Wassersportreviere Europas" entdeckt. Das Havelland grenzt unmittelbar an Berlin und Potsdam. Die Havel legt bis zu ihrer Mündung in die Elbe bei Havelberg fast 150 km mit großen Seenketten, zahlreichen Flussschlingen und Inseln zurück. Kleine, verträumte Dörfer und eine weite Niederungslandschaft prägen das Land am Fluss.
Unsere Anreise war ein wenig "verstaut", die A2 war recht dicht, vor und hinter Hannover, vor Magdeburg... so sind wir dann irgendwann einfach auf die Bundesstraßen ausgewichen und gemütlich durch die Altmark nach Brandenburg gefahren. Eine landschaftliche "Delikatesse" - und gut zu fahren (unsere Solis am Werk...).
Heute haben wir den Tag mit einem Besuch in der Fontanestadt Neuruppin verbracht. Als Andenken an den in Neuruppin geborenen Dichter Theodor Fontane trägt die Stadt seit 1998 den Beinamen Fontanestadt. Der Dichter wurde als Sohn des Apothekers Louis Henry und Emilie Fontane geboren. Den Eltern gehörte das Haus mit der Löwen-Apotheke. Nachdem Theodors Vater 1826 die Apotheke verkaufen musste, um Spielschulden zu bezahlen, zog die Familie 1827 an die Ostseeküste nach Swinemünde. 1854 zogen Theodors Mutter Emilie und Schwester Elise zurück nach Neuruppin. Emilie hatte sich - ohne Scheidung - von ihrem Mann getrennt. Die Besuche Theodor Fontanes bei Mutter und Schwester in Neuruppin verband der inzwischen freie Journalist und Schriftsteller mit Recherchen zu dem ersten Band der "Wanderungen durch die Mark Brandenburg".
Von 1732 bis 1740 befehligte Friedrich II. (noch als Kronprinz) hier ein Regiment. So entwickelte sich Neuruppin zu einer Garnisons- und Beamtenstadt. Der Stadt sieht man ihre Vergangenheit als Garnisonsstadt der Preußen durchaus an: breite, gerade Straßen, schöne Plätze, herrschaftliche Häuser. All dies kombiniert mit der Lage am Ruppiner See – eine hübsche kleine Stadt, in jedem Fall einen Besuch wert.
Landschaftlich hat diese Ecke Brandenburgs einiges zu bieten: Seen, weite Wiesen und Felder, dazwischen hübsche Straßen- und Runddörfer, immer wieder Waldgebiete. Storche haben wir gesehen, Rehe am hellen Tag, zahlreiche Wasservögel. Wenn das Wetter in der nächsten Woche hält, was der Wetterbericht verspricht – ja, dann werden wir den Urlaub hier auf dem Wasser hoffentlich richtig genießen können.
Nun ist es bereits Montag, die ersten Skippererfahrungen liegen hinter uns. Während ich dies schreibe sitze ich an Deck, blicke in der frühen Morgensonne auf die träge dahinströmende Havel, Schilf, Seerosenblätter, einige Bäume und sehr viel Himmel. Gerade ist bereits ein Storch vorbei geflogen, ein Kuckuck ruft mit großer Ausdauer, Frösche und Enten quaken, ab und an spring ein dicker Fisch. Bootsverkehr gibt es heute, im Gegensatz zum doch recht verkehrsreichen Wochenende kaum – bislang habe ich nur ein einziges Boot gesehen. Wir ankern hinter Premnitz und wollen heute im Laufe des Tages nach Rathenow weiter. Aber noch schläft der Gatte – und endlich in diesem Urlaub sollte er auch einmal ausschlafen können. Das Schöne an einer Hausbootfahrt ist schließlich, dass man nicht zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort sein muss: Anker setzen und man ist „zu Hause“.
Zu Hause heißt in diesem Fall zwei (kleine, aber ausreichende) Schlafzimmer (von denen wir, welcher Luxus, eines zum Kleiderschrank umgewidmet haben), eine Wohnküche mit Kochzeile, Esstisch und Couch, ein Bad mit Dusche und eine Terrasse (na vielleicht eher ein großer Balkon), auf der sich auch das Ruder befindet. Alles in allem ausreichend Platz für zwei, sicher auch für eine Familie mit Kindern, vielleicht für zwei Paare, die sich gut verstehen. Für sechs Personen (was nach dem Angebot möglich ist) wäre mir das Platzangebot dann doch zu knapp.
Unser Törn mit dem - für Rollstuhlfahrer nicht nur nutz- sondern auch steuerbaren - Bungalowboot auf der Havel in Brandenburg war gut vorbereitet. Schon frühzeitig erhielten wir Informationen von unserem Charterer. Das ist sehr fürsorglich gedacht und ist in jedem Fall auch sehr hilfreich. So bekamen wir
- Infos zum Revier Brandenburg-Plaue
- eine Anfahrtsbeschreibung
- eine Inventarliste, damit wir wissen, was wir noch mitbringen mußten,
- die Bedienungsanleitung, damit wir (heißt in unserem Fall: der Gatte!) uns schon mal mit der Bedienung des Schiffes vertraut machen konnten
- und, da wir (heißt wieder: der Gatte!) den Sportbootführerschein Binnen nicht haben und einen Charterschein gebucht haben, durfte er sich mit dessen Inhalten schon einmal vertraut machen. Die Charterscheinunterlagen sind ausgedruckt und wir haben gelernt, dann die Inhalte sind polizeilich vorgeschrieben und werden vor Ort in einem kurzen Test abgeprüft!
Das hat ein wenig was vom Erlernen einer Fremdsprache. Natürlich muss man wissen, was Steuer- und Backbord ist, nämlich rechts (Steuerbord) bzw. links (Backbord). Wir unterscheiden inzwischen (... dabei dachten wir doch, wir sind auf der ebenen Wasserfläche?) Talfahrt (die Fahrt flussabwärts, von der Quelle zur Mündung) und Bergfahrt (flussaufwärts). Daneben erlernen wir neue Verkehrszeichen, z. B. Wendeverbot oder das Gebot, das Fahrwasser nach Backbord zu kreuzen….
Sorgen hatte uns im Vorfeld das Schleusen gemacht, jedenfalls hatten wir schon Schwierigkeiten, die Anleitung zu verstehen:
"Vor dem Einlaufen in die Schleuse genügend Fender ausbringen und die Festmacher vorne und achtern klarlegen. … In dem ziemlich schnell einströmenden Wasser kann das Boot heftig zu schwojen beginnen. Deshalb mit Vor- und Achterleine an der Schleusenwand festmachen. Während des Schleusens müssen die Festmacher gefiert oder geholt oder auf den nächsten Poller in der Nische der Schleusenwand umgehängt werden. Niemals an Bord mit Kopfschlag oder am Schleusenpoller mit Webeleinstek belegen, sondern immer auf Slip, damit man die Leinen jederzeit loswerfen oder versetzen kann und sich das Boot nicht darin aufhängt, wenn der Wasserspiegel fällt."
Und schließlich wurden auch unsere (und das gilt wohl auch für mich) handwerklichen Fertigkeiten gefordert, denn: Zum sicheren Festmachen ist das Erlernen von Knoten unbedingt erforderlich. Also knüpften wir zur Übung fleißig
- Palstek - Mit ihm lässt sich ein beliebig großes Auge herstellen, das sich nicht zusammenziehen kann. Er dient zum Festmachen an Pfählen, Pollern oder auch Ringen oder im Notfall, um jemand, der über Bord gefallen ist, im Wasser zu sichern. Auch Leinen kann man mit zwei Palsteks zuverlässig verbinden. Der Tampen sollte außerhalb des Auges liegen.
- Eineinhalb Rundtörn mit zwei halben Schlägen, Slipstek oder gesteckten Webeleinstek - Knoten zum Befestigen von Fendern etc.
- mit Kopfschlag auf einer Klumpe belegen
Eines hat sich uns jedenfalls fest eingeprägt (wir wollen nämlich keinesfalls sofort als blutige Laien erkannt werden):
„Es gilt auf unseren Gewässern als unseemännisch,
mit außenbords baumelnden Fendern zu fahren.“
Gestern hatten wir Besuch auf dem Boot, Schwester, Schwager, Nichte kamen in Pritzerbe an Bord und sind mit Kuchen und Badezeug mitgefahren bis Premnitz. Die erste Feuertaufe für den Skipper. Unter familiärer Beobachtung hat er das Boot sogar durch die Schleuse Bahnitz gesteuert. Leicht war es nicht, denn bei dem opulenten Platzangebot ist unser Bungalowboot doch eher eine fahrbare Schrankwand und kein leicht zu handelndes Sportboot. Und es war zum Teil recht windig, da reagiert das Boot wie ein VW-Bus auf Seitenwind: nicht sehr willig.
Aber der Reihe nach. Geankert hatten wir sehr romantisch ein Stückchen vor Pritzerbe, an einem Schilfgürtel. Am Samstagabend haben wir dort zum Abendessen den Grill angezündet, lecker gegessen und einen wunderbaren Sonnenuntergang genossen. Am Morgen sind wir dann nach Pritzerbe zur Marina gefahren um unsere Tagegäste aufzunehmen.
Prüfung Nummer 1
für den Skipper: nein, bitte nicht vorn anlegen, kommen Sie doch bitte hier herum und dann längs an dieses Schiff. Ein Manöver, was unter Wind mit dem schwer und träge reagierenden Schiff nicht ohne war. Zum Glück war ein „Mitbewerber“ unseres Charterers da und half beim Anlegen, nicht ohne mehrfach darauf hinzuweisen, dass er dafür ja keine Zeit habe, es sei schließlich Charterwechsel und warum wir denn nur so kurze Leinen bekommen hätten…
Alle Mann an Bord und das Ablegen klappte wunderbar, auch ohne Hilfe! Gut gemacht. Los ging die Fahrt, talwärts und mit dem Wind. Die Fähre in Pritzerbe haben wir nicht gerammt – auch wenn uns davor unser Charterer eindringlich gewarnt hatte – wir haben doch Augen im Kopf und gewartet, bis sie angelegt hatte, die Autos von Bord ließ und neue aufnahm, also nicht losfahren konnte.
Aber das nächste Hindernis drohte schon: die erste Schleusung in der Bahnitzer Schleuse. Vorher wollten wir das Schleusen nochmals besprechen und daher ankern. Und schon hatten wir
Prüfung Nr. 2
für den Skipper. Vorne den Anker zu setzen war kein Problem, weicher Havelschlamm oder –sand nahm unseren Pfahlanker willig auf. Nicht so achtern: Steine, Steine und keine Chance. Also ein anderes Plätzchen suchen. Da hatten wir aber die Rechnung ohne den Wind gemacht. Der Motor kam gegen den starken Wind nicht an, wir schauten landwärts und ein Drehen des Bootes klappte nicht. Zahlreiche Versuche trieben dem Skipper den Schweiß auf die Stirn, die klugen Ratschläge der Leichtmatrosen taten ein Übriges. Schließlich bot die Nichte an, mit Bikinihose ins Havelwasser zu steigen und das Boot vom Ufer wegzuschieben. Wir konnten sie dann doch überzeugen, dass sie das bei 7 Tonnen eher nicht schaffen würde. Aber dann… beim (gefühlten) siebzehnten Versuch klappte es, wir kamen in Fahrt…
Danach war die
Prüfung Nr. 3
nur noch ein Klacks: Schleuse angerufen und um Schleusung talwärts Richtung Havelberg gebeten, auf die Freigabe der Schleusenkammer gewartet, eingefahren und elegant an der Steuerbordseite festgemacht… oder besser: nur die Leinen um die Klampen gelegt und festgehalten und nachgelassen. Da sahen wir echt aus wie alte Hasen. Und viel eleganter, als das Bungalowboot, welches vor uns in die Schleusenkammer eingefahren war und dort mit der schweren Steuerbarkeit des Boots wegen des Windes zu kämpfen hatte. Die konnten nicht mal festmachen und wurden quer zur Kammer geschleust.
Aller guten Dinge sind drei, alle drei Prüfungen gemeistert. Der restliche Tag war das pure Vergnügen. Egal ob die Fahrt durch die wirklich wunderbaren Havelauen mit Schilf, Landwirtschaft, lichten Wäldern, kleinen Gehölzen oder ob das Ankern unter einer Weide in einem stillen Seitenarm. Dort haben wir die Badeleiter ausgeklappt und Schwester und Nichte sind tapfer ins ziemlich kalte Havelwasser gestiegen. Dort haben wir dann auch Kaffee und Tee gekocht, Erdbeertorte geschlemmt, gesonnt, gelesen, gedöst und unseren Tag genossen.
Kleines Schmankerl am Rande: weil sowohl Tisch als auch Terrassendeck zwischen den Planken recht breite Spalten haben hatten wir per SMS noch um das Mitbringen einer familiären Tischdecke gebeten. Sie war noch nicht auf dem Tisch als die Nichte den ersten Teller mit Gabel (und natürlich Erdbeertorte) in der Hand hatte. Es kam, wie es schöner nicht hätte sein können: die Gabel fiel, durch die Planken und verschwand auf Nimmerwiedersehen im Havelgrund. Das Gesicht der Nichte war unbezahlbar und was sie kommentierte auch: „Und ich dachte, Mann sind die mal wieder paranoid… man verliert doch kein Besteck…“
Die Weiterfahrt zum Anleger in Premnitz war idyllisch und schön, im Sonnenschein mit Blick auf Fluss und Natur, gelegentlich Angler oder Camper am Ufer. Nur ein Mal wurde unsere Idylle getrübt: zwei Machos am Ruder ihrer hochmotorisierten Yachten wollten es uns einmal zeigen: sie begegneten uns nicht, wie es richtig gewesen wäre, auf Steuerbord, sondern kreuzten unmittelbar vor uns, drehten dabei den Motor nochmals auf – und verursachten dadurch eine mächtige Bugwelle, die uns nicht nur ordentlich ins Schwanken brachte sondern zudem unsere gesamte Terrasse unter Wasser setzte. Idioten gibt es also nicht nur im Straßenverkehr.
Nachdem wir in Premnitz die Gäste von Bord gelassen haben (das Anlegemanöver war erste Sahne!) sind wir gemütlich weiter talwärts gefahren und liegen nun immer noch bei Milow vor Anker. Inzwischen ist der Gatte aufgestanden, gleich werden wir frühstücken. Bevor es später dann Richtung Rathenow weitergehen soll muss ich noch nachtanken – eine Aufgabe für den Leichtmatrosen an Bord. Der Skipper studiert derweil die Wasserstraßenkarte um zu wissen, ob ihn auch heute wieder Prüfungen erwarten. Ich werde berichten!
Auch ich habe meine Prüfung bestanden: ich kann nachtanken. Das war aber gestern früh auch wirklich an der Zeit. Wir sind dann gemütlich in Richtung Rathenow geschippert. Auf der Havel kaum Bootsverkehr, rundum Natur. Die Havel ist zum Teil sicher 40 – 50 Meter breit und fließt träge, aber stetig dahin. Vom Ufer begleitete uns das stetige Rufen der Kuckucks, die es hier offenbar zahlreich gibt.
Rathenow ist eine Kleinstadt, bekannt wohl auch für die optische Industrie. Wir haben am Rande der Altstadt im Stadthafen angelegt, der nicht rollstuhlgeeignet ist. Der Skipper wurde also an Bord zurückgelassen. Ich habe eine kleine Runde in die Stadt gemacht und frisches Brot gekauft (und die leeren Wasserflaschen entsorgt, unser Wasserverbrauch fürs Trinken und Teekochen ist enorm).
Später bin ich dann noch einmal mit der Kamera zur Besichtigung der Altstadt aufgebrochen. Die in der Altstadt gelegene St.-Marien-Andreas-Kirche wurde Anfang des 13. Jahrhunderts im spätromanischen Stil errichtet und im 15. und 16. Jahrhundert zu einer dreischiffigen Hallenkirche umgestaltet. Bei der Kirche befinden sich noch einige Fachwerkhäuser, welche unlängst restauriert wurden. In der Kirche traf ich eine Frau, die mir nur zu gern die Geschichte der 1945 bei einem Brand stark zerstörten evangelischen Backsteinkirche und von ihrem Wiederaufbau seit 1990 erzählte.
Rathenow war für uns auch der Wendepunkt. Seit gestern Nachmittag fahren wir bergwärts (oder flussauf), wieder zurück in Richtung Brandenburg. Der Motor muss schon deutlich mehr arbeiten als auf der Talfahrt. Aber hier ist ja der Weg das Ziel, wir haben keine Termine, die einzuhalten wären. Im Augenblick sind wir zwischen Flusskilometer 97 und 96. Hier haben wir gestern Abend geankert, zum Abendessen erneut den Grill entzündet (die Holzkohle ist aufgebraucht, ich werde wohl bei nächster Gelegenheit einkaufen müssen) und den Tag ausklingen lassen. Leider waren die Mücken gestern Abend recht stechfreudig, trotz Autan und durch T-Shirt bzw. Hose hindurch haben sie mich erwischt. Worüber wir gegrübelt haben: die Frösche quaken nicht stetig, vielmehr scheint es gewisse Verabredungen zu geben: beginnt einer, fallen alle ein. Dann wird es wieder für ein Weilchen still und dann geht es erneut los.
Geschlafen haben wir wieder wunderbar, begleitet von den Geräuschen der Natur. Zum Frühstück heute früh bekamen wir Gesellschaft von einem Storch. Er landet nur 5 – 10 Meter von uns entfernt im Schilf (leider war er damit nicht mehr zu sehen – Schade!) und verließ uns nach 20 Minuten mit elegantem Start und Nahrung im Schnabel um heimzufliegen ins Nest. Gleich werden wir die Anker einholen und gemütlich weiter bergwärts fahren, warten wir ab, wohin uns der Tag bringt.
Die Fahrt war ruhig und beschaulich auf dem ruhigen Fluss, das Schleusen in Bahnitz hat auch zu zweit ganz wunderbar geklappt: wir lagen wie eine „Eins“ an der Schleusenwand und haben gefühlvoll die Leinen gehalten. Und davor hatte ich solche Manschetten!
Heute Abend haben wir genau am Schild für den Flusskilometer 75 gegenüber von Tieckow die Anker gesetzt. Die Havel ist hier breit, fast wie ein See, es ist ruhig hier und so hoffen wir auch auf eine ruhige Nacht. Schwäne ziehen über die Havel und der unvermeidliche Kuckuck ist auch wieder zu hören.
Ein kleines Zwischenfazit kann ich heute schon ziehen: das Wetter meint es sehr gut mit uns. Sonne, angenehme Temperaturen und daher die besten Bedingungen für unsere Havelfahrt. Das Boot bietet alles, was wir an Komfort brauchen, wir haben unsere Privatsphäre und die Möglichkeit fast überall zu stoppen, wo es uns gefällt. Die Dusche hat knapp ausreichend heißes Wasser (zumindest für Langduscher), Kühlschrank, Herd, Küchenausstattung und Grill – alles ist da, was das Herz begehrt.
Klar ist aber auch: eine Hausboottour ist nur etwas für Menschen, die es auch ohne Animation aushalten können. Wir genießen Natur pur und die unglaubliche Ruhe. Wir entspannen uns von Tag zu Tag mehr. Die Manöver haben auch klar gemacht: für Menschen, die sich nicht verstehen, wäre eine Bootstour auch nichts. Wenn man sich festgefahren hat ist ruhig Blut und Teamarbeit gefragt – vielleicht ist Hausbootfahren auch gut als Teambuilding für Paare, Familien, Freunde oder Arbeitskollegen?
Hatte ich gestern Abend das Wetter gelobt? Nun, in dieser Nacht hatten wir ein ordentliches Gewitter mit Platzregen – aber unser Boot hat alles brav überstanden, die Anker haben gehalten… alles ist gut. Und heute Morgen scheint die Sonne, die Luft ist mild und frisch – es kann ein schöner Tag werden. In jedem Fall muss heute eingekauft werden: das Wasser neigt sich dem Ende, der Wein ebenso – und zum Abendbrot gibt es auch keine Auswahl mehr. Aber wir nähern uns Brandenburg an der Havel, da sollte ein Einkauf kein Problem sein.
Ja, auch die haben wir kennen gelernt während unserer Haveltour. Genauer beim Kreuzen des Plauer Sees. Wir wurden gestoppt, weil wir nach Ansicht des patrouillierenden Wasserschutzpolizisten in seinem Motorboot nicht nah genug an den Tonnen lang gefahren seien. Ob das so war ist vielleicht auch Ansichtssache, aber auch auf dem Wasser streitet man besser nicht mit den Freunden und Helfern. Und so haben wir brav 10,00 € Verwarnung bezahlt, uns ein wenig Schifffahrtszeichen und sonstiges abfragen lassen und durften wieder abfahren, immer an den Tonnen lang, versteht sich.
Über die Brandenburger Niederhavel (wunderschönes Naturschutzgebiet) kamen wir dann hinein nach Brandenburg. Am Anleger Slawendorf haben wir festgemacht und ich bin mit dem Fahrrad zum Lebensmittel aufstocken gefahren. Der Gatte hat derweil Möhren geputzt und Kartoffeln geschält fürs Abendessen. Knapp 2 Stunden später waren wir wieder unterwegs, zunächst noch durch die Stadt auf der Niederhavel, dann haben wir den Silokanal gekreuzt (und uns vorher brav bei der Schleuse telefonisch erkundigt, ob wir fahren dürfen) und sind in den Beetzsee eingefahren.
Was uns sofort ins Auge fiel: Die Regattastrecke Beetzsee. Die Strecke ist Teil des Sees und ist die einzige für internationale Wettkämpfe geeignete Regattastrecke in Ostdeutschland. Sonst gibt es um den See herum viel Natur und einige vom Wasser aus nett anzusehende Dörfchen. Wir haben für den Abend wieder einmal in der Nähe eines Schilfgürtels geankert und einen schönen Sonnenuntergang genossen.
Am nächsten Tag ging es dann bei recht windigem Wetter zunächst Richtung Norden weiter. Der See ist deutlich stärker (wasser-)touristisch genutzt als die Havel, wir fanden es schon recht voll dort. In Radewege haben wir angelegt (gutes Manöver, trotz heftiger Windböen!) und ich habe uns frisches Brot gekauft. Allerdings erst, nachdem wir die Öffnung nach der Mittagspause um 14 Uhr abgewartet hatten. Das Brot war extrem lecker (ein richtiger Landbäcker, mit eigener Backstube eben, kein „Industriebrot“) und in der Fischerhütte in Radewege habe ich dann frische Fischfrikadellen mit hausgemachter Remoulade gekauft – zusammen mit dem frischen Brot ein echter Genuss. Der Anleger dort war nicht für Rollstuhlfahrer geeignet, der Skipper musste also an Bord bleiben, was ihm aber nicht schwer gefallen ist.
Nach dem Ablegen haben wir kehrt gemacht und sind wieder Richtung Brandenburg geschippert, mit einem Tankstopp in der Nähe der Regattastrecke, dem obligatorischen Anruf bei der Schleuse vor dem Kreuzen des Silokanals und sind durch die Niederhavel in den Breitlingsee gefahren. Dort gab es zum Teil recht heftige Windböen und so haben wir uns ein einigermaßen windgeschütztes Plätzchen hinter der Insel Kaninchenwerder gesucht. Ein schöner Platz, ein wunderbarer Sonnenuntergang, eine Kolonie Gänse, Enten, Blesshühner auf der sandigen Landzunge voraus. Nach dem Abendessen schwamm ein Biber an uns vorbei, das hatten wir auch noch nicht.
Und dann brach er an, unser letzter Wassertag. Nach einem gemütlichen Frühstück sind wir losgeschippert Richtung Havel (immer mit einem Blick auf die Tonnenlinie), denn vor der für den nächsten Morgen um 10:00 Uhr angesetzten Bootsrückgabe wollten wir klar Schiff machen, packen und auch nicht zu weit entfernt von der Marina Plaue ankern. Wir waren nicht die einzigen, die diesen Plan hatten… die Bunbo-Dichte war enorm nach den letzten doch sehr ruhigen und beschaulichen Tagen. Aber wir haben ein wunderbares Plätzchen gefunden und unseren Abschiedsabend an Bord zelebriert.
Die Rückgabe des Bootes verlief rasch, professionell und unspektakulär, 39 Liter Sprit haben wir verbraucht auf unserer Tour, Gas und Frischwasser werden pauschal verrechnet – die einzige statistische Zahl, die ich noch beisteuern könnte wären knappe 30 Liter Trinkwasser, die wir verbraucht (und an Bord getragen haben).
Unser Fazit nach einer Woche mit dem Hausboot ist rundum begeistert. Es war eine traumhafte Zeit, wir hatten unglaubliches Glück mit dem Wetter, das Leben auf dem Wasser war ruhig, naturnah, entspannend, fast meditativ. Das Boot bietet alle notwendigen Annehmlichkeiten und auch Platz genug, das Befahren der Gewässer ist, nach einer anfänglichen Eingewöhnung auch mit dem Charterschein kein Problem. Wir werden eine solche Reise sicher noch einmal wiederholen und können diese Art des Reisens guten Gewissens weiterempfehlen!
Und mit den frisch gewonnenen Seemannsbeinen ging es im Anschluß an die Bootstour dann noch für sechs Tage nach Berlin. Nicht nur zu dienstlichen Aufenthalten oder Familienbesuchen wollen wir in die Hauptstadt kommen, es stand mal wieder eine Entdeckung der Museen und der touristischen Highlights an.
Über Autobahn und Bundesstraße ging es von Brandenburg nach Berlin, mit einem kurzen Abstecher nach Beelitz, um Spargel zu kaufen. Denn für den Samstagabend waren wir zum Spargel essen in Berlin mit der Familie verabredet. Spargel abgeliefert, ebenso unsere restlichen Lebensmittel vom Boot, einen Beutel mit Wäsche (wir hatten nicht mit so tropischem Wetter gerechnet, die leichten Sommersachen gehen aus…) und dann sind wir in unser Hotel gefahren. Wir wohnen zentral, im Adagio in der Lietzenburger Straße und sind mit Zimmer und Lage zufrieden. Genossen haben wir die Dusche im Zimmer: nach der doch recht spärlichen Wassermenge der Borddusche war es richtig schön, mal wieder mit viel heißem Wasser und ordentlich Druck duschen zu können.
Am Pfingstsamstag haben wir den Tag bei einem leckeren Abendessen im Familiengarten und dem Beelitzer Spargel ausklingen lassen.
Am nächsten Morgen gab es zunächst ein ausgedehntes Frühstück im Café Miro an der Uhlandstr. - das Café ist (sicher nicht nur fürs Frühstück) zu empfehlen, superfrisch, extra lecker und total netter Service.
Und dann ging es mit dem Fahrrad los: am Savignyplatz vorbei, über den Steinplatz zur Straße des 17. Juni, durchs Charlottenburger Tor, an der Siegessäule vorbei zum Brandenburger Tor, eine Pause am Holocaust-Mahnmal und quer durch den Tiergarten zurück. All das bei wunderbarem warmen Sonnenwetter und einer gefühlten Millon Touristen. Dennoch, eine schöne Strecke und schon einmal die ersten „must sees“ abgeklappert. Am Abend stand Grillen im familiären Garten an, große Tafel (Neffe und Nichte hatten sich Verstärkung geladen…) und abwechslungsreiche Vielfalt (vegan, vegetarisch, Schwein, Geflügel, Fisch, Schalentiere, Gemüse, Salate…).
Radfahren in Berlin ist, man glaubt es kaum, durchaus empfehlenswert. Man kommt gut und schnell von Ort zu Ort. Es gibt zahlreiche Radwege oder auch sehr breite Bürgersteige, immer mal wieder die Möglichkeit des Ausweichens „ins Grüne“, z. B. in/durch den Tiergarten und selbst im dicksten Verkehrsgetümmel sind die Autofahrer recht aufmerksam, was die Radfahrer um sie herum angeht. Wir haben jedenfalls eine Menge gesehen, frische Luft getankt und uns gesund von A nach B bewegt!
Am Pfingstmontag konnten wir dann schon feststellen, dass zahlreiche Wochenendtouristen wieder nach Hause mussten – es war längst nicht mehr ganz so voll in der Stadt. Wir haben eine Runde mit dem Fahrrad quer durch Charlottenburg zum Schloss Charlottenburg gemacht, den Park erradelt, eine Weile auf einer Bank pausiert und sind über den Ernst-Reuter-Platz zurück gefahren. Am Abend dann ging es per Linie 100 (Bekannt und beliebt - der Bus der Linie 100 der BVG. Entstanden nach der Wiedervereinigung, zwischen Berlin-Ost und Berlin-West, als erste durchgehende Busverbindung der Stadt. Zwischen dem Alexanderplatz und dem Zoologischen Garten zieht er Einheimische und Touristen gleichermaßen an.) in Richtung Mitte: im Restaurant Ganymed hatten wir eine Verabredung zum Abendessen und haben leckeres Essen, gute Gespräche und den milden Sommerabend am Schiffbauerdamm genossen.
Für mich stand der Dienstag zunächst im Zeichen beruflicher Termine – der Gatte konnte derweil den Zoo unsicher machen und besuchte Elefanten, Flusspferde und andere Tiere. Am späteren Nachmittag ging es dann noch einmal in Richtung Familie – und das Abendessen gab es mit Schwester in der griechischen Taverne „um die Ecke“
Das museale Pflichtprogramm gab es dann gestern, nach einer Tour quer durch die wuselnde Stadt mit dem Rad haben wir den Gendarmenmarkt besucht, dann den Berliner Dom besichtigt und waren schließlich im übervollen Pergamonmuseum. Unser Rückweg führte uns Unter den Linden entlang zum Brandenburger Tor, durch den Tiergarten zum Schleusenkrug, wo wir den Staub von Geschichte und Stadt mit einem leckeren Radler aus der Kehle spülen konnten. Der Schleusenkrug liegt idyllisch im Grünen, direkt an der Tiergartenschleuse des Landwehrkanals, dabei nicht weit vom Kudamm, dem Bahnhof Zoo oder der Gedächtniskirche entfernt. Der Schleusenkrug ist Biergarten sowie Restaurant und Café, mit guter Küche, leckeren Kuchen und einem Grill im Sommer.
Und zum Abendessen sind wir dann – sehr touristisch, aber dennoch lecker – am Savignyplatz in die 12 Apostel eingekehrt. Die Steinofenpizza ist wirklich großartig, superdünn, leckerer Hefeteig und gut belegt.
Und nach einer erholsamen Nachtruhe werden wir gleich ein wenig shoppen gehen – auch das gehört schließlich zu einem Besuch in Berlin dazu!
Mit einem Abendessen im ungewöhnlichen Kater Holzig in Kreuzberg werden wir den Tag gemeinsam mit Schwester und Schwager ausklingen lassen, bevor es morgen wieder in den Westen der Republik (und die Schreibtische) zurückgeht. Die Rezensionen zum Restaurant sind sehr unterschiedlich, was man so hört ebenfalls – wir sind jedenfalls schon gespannt und ich werde nachher berichten…
Der Katerschmaus war ein Erlebnis. Die Location etwas Besonderes: hinterm Bretterzaun, an etlichen Bauwagen vorbei in ein altes Fabrikgebäude, teilweise Bauruine, teilweise bewohnt und hoch in den dritten Stock (kleine Anmerkung: „Normal“Besucher steigen die Treppen hinauf, wir hatten das Vergnügen mit dem Rollstuhl über einen Bauaufzug außen am Gebäude nach oben befördert zu werden – sehr speziell!). Oben ein großes Loft, an den Wänden Graffiti, gemütlich beleuchtet, zahlreiche Tische und die Bestuhlung unterschiedlichster Stile und Alter zusammengewürfelt, eine offene Küche. Freundlicher, junger Service – die Szene aus Kreuzberg, Mitte, Prenzlauer Berg. Eine nicht zu große Speisekarte.
Das Essen war schmackhaft, lecker und appetitlich angerichtet. Was wir hatten? Als Vorspeisen
• Sauerbratenterrine an rote Beete Salat, Frisée und Pfefferkirschen
• Rindertatar mit gebeiztem Bio-Eigelb und Knoblauchestragonbrioche
• Frühjahrssalatvariation mit hausgetrockneten Datteltomaten, mariniertem grünen Spargel, gerösteten Mandeln, Basilikumöl und pink Grapefruitdressing
Und als Hauptgang
• Wildschweinragout auf hausgemachten (Kakao-)Pappardelle, Granatapfelkerne und Ackersenfsalat
• Dreierlei vom Spargel mit gratiniertem halben Hummer, Brunnenkresse und Mangodressing
• Safranrisotto mit Sugo à la bouillabaisse und Sepiastrich
• Rinderfilettournedon mit gegrillten Ochsenherzen, Pancettasegel, Ofenkartoffeln und einer Rotweinrosmarinreduktion
Dazu Wein, Wasser, danach Dessert, Käseplatte, Kaffee und Walnussbrandy – es war superlecker, es hat uns gut gefallen und wir zumindest können Katerschmaus weiter empfehlen (aber unbedingt reservieren – es war voll!)
Eines gehört zum Havelland, ganz ohne Zweifel...
Theodor Fontanes Gedicht über "Herr(n) von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland"
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll.
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: "Junge, wiste 'ne Beer?"
Und kam ein Mädel, so rief er: "Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn".
So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit;
Da sagte von Ribbeck: "Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab."
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Bündner mit Feiergesicht
Sangen "Jesus meine Zuversicht".
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
"He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?"
So klagten die Kinder. Das war nicht recht -
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Misstrauen gegen den eigenen Sohn,
Der wusste genau, was er damals tat,
Als um eine Birn' ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprößling sprosst heraus.
Und die Jahre gehen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet's wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung' übern Kirchhof her,
So flüstert's im Baume: "Wiste 'ne Beer?"
Und kommt ein Mädel, so flüstert's: "Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew' di 'ne Birn."
So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.
Was musste denn mit, nach Brandenburg, ins Havelland und nach Berlin?